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Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Titel: Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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abzuschütteln, er fühlte sich wie betäubt. Niemand war schuld, niemand hatte ihn reingelegt, nur er sich selbst, und jetzt fühlte er sich betrogen. Arie Levi hatte recht, er war auf die gute Adresse reingefallen, auf die alte Familie, auf den modernen Renaissancemenschen. Und vielleicht hatte er ja doch eine Geschichte, eine einfache Erklärung. Doch warum hätte seine Mutter dann lügen müssen? Was hat Klein zu verbergen? fragte er sich, als er die Nummer des Nachbarzimmers wählte und zu Elfandari sagte, er solle den Mann hereinschicken.
    Klein stand in der Tür. Er trug dasselbe Hemd, das er vor einigen Stunden getragen hatte, gestreiftes Hemd mit kurzen Ärmeln, das seine muskulösen Arme betonte. Neben ihm sah Rafi kleiner aus, als er in Wirklichkeit war. Rafi verließ das Büro aufgeregt. Michael wußte, daß er im Nachbarzimmer sitzen und jedes Wort hören würde, das hier gesprochen wurde.
    Er fühlte, wie sein Gesicht starr wurde und seine Augen ausdruckslos.
    Auch Klein sah angespannt aus, zum ersten Mal, seit Michael ihn an der Universität getroffen hatte, als er ins Sekretariat gekommen war und seine Stimme erhoben hatte. Sein Gesicht war blaß. Auf Michaels stumme Aufforderung hin setzte er sich auf den Stuhl auf der anderen Seite des Tisches. Wieder hatte Michael den Geschmack der Zwiebeln im Mund, vermischt mit dem der griechischen Oliven, und eine plötzliche Übelkeit ergriff ihn. Er versuchte, den Brechreiz zu unterdrücken, die Angst zu ignorieren, den Gedanken zur Seite zu schieben, daß im nächsten Augenblick alles zusammenbrechen würde, daß er einer persönlichen Neigung aufgesessen war, daß er wirklich seine Fähigkeit, abzuwägen, verloren hatte. Dieser Gedanke ließ ihn nicht los, er wäre lieber wütend geworden, aber diese Besorgnis überlagerte alles. Er versuchte, seine Beinmuskeln zu entspannen, und schaffte es noch nicht mal, die Beine auszustrecken. Die Luft im Zimmer war stickig. Er schaute sich um, das Fenster war offen, und dann blickte er Klein an, der ihm gegenübersaß und schwieg. Schließlich räusperte sich Klein ein paarmal und fragte dann mit seiner Baßstimme: »Worum geht es?«
    Michael betrachtete die dicken Lippen, die jetzt ganz . trocken waren, und fragte leise, wann er aus Amerika zurückgekommen sei.
    »Das habe ich doch schon gesagt, am Donnerstag mittag. Es gibt doch nichts, was leichter nachzuprüfen wäre«, antwortete Klein erstaunt, doch Michael schaute auf Kleins Hände und sah, wie sie sich zu Fäusten ballten. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt, und auf seiner Stirn erschienen Schweißperlen. Michael merkte sich jedes Detail. »Achtet auf den Körper«, erklärte er immer in den Kursen für angehende Kriminalbeamte. »Es ist der Körper, der spricht.« Und Kleins Körper sang geradezu. Jede Bewegung zeigte Angst. Und die kultivierte Stimme, das Fehlen von Empörung ... das alles stand im Widerspruch zueinander. Michael wußte, daß Klein log, oder besser gesagt, tröstete er sich selbst, daß er ihm Informationen vorenthielt, aber noch immer konnte er nicht anders, er mußte diesem Mann Achtung entgegenbringen. Ein anderer müßte ihn verhören, dachte er, ich bin befangen. Aber ich will auch, daß man zartfühlend mit ihm umgeht, daß man ihn achtet, und es gibt ja sonst niemanden, der sein Niveau hat. Ich kann ihn nicht Balilati oder Bachar überlassen.
    »Können Sie mir bitte noch einmal sagen, warum Sie getrennt geflogen sind, Sie und Ihre Familie?«
    »Was ist passiert?« fragte Klein und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Was ist plötzlich los?«
    »Bitte beantworten Sie nur meine Frage, warum sind Sie getrennt geflogen?«
    »Wegen der Abschlußfeier meiner Tochter, der mittleren, Dina. Ich habe es Ihnen doch schon gesagt. Sie wollte nicht darauf verzichten, und ich konnte nicht warten, wegen meiner Mutter, ich hatte es ihr versprochen. Außerdem gab es für mich keinen Platz in dem Flugzeug, das am Sabbatausgang angekommen ist. Ofra und ich fliegen nie zusammen, sie ist in dieser Hinsicht ängstlich.«
    »Und sie flog mit allen Töchtern gemeinsam zurück?«
    Klein sagte ungeduldig: »Ja, das habe ich doch schon gesagt.«
    »Gut, lassen wir das jetzt. Sie haben ausgesagt, daß ein Leihwagen auf Sie gewartet hat? Auf dem Flughafen?«
    Klein nickte. Seine Arme waren noch immer vor der Brust verschränkt, als wolle er die geballten Hände verbergen. »Ich habe das Auto schon von Amerika aus bestellt.«
    »Warum sind Sie

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