Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort
war.« Der Zorn war ihm nun anzuhören. »Kurz gesagt, Sie haben eine solche Angst unter uns verbreitet, daß alle überlegen, was sie getan haben, auch wenn sie ganz unschuldig sind.«
Das schwarze Haustelefon klingelte, und Michael nahm den Hörer auf, lauschte Zilas Stimme und sagte schließlich: »Sag ihr bitte, daß ich jetzt losgehe.«
Er stand auf und sagte zu Tuwja Schaj, der mit gesenktem Kopf dasaß: »Ich möchte, daß Sie jetzt mit mir kommen, wir gehen die Strecke ab, die Sie am Freitag gegangen sind, die Sie Ihrer Auskunft nach freitags so oft gehen, wenn Sie aus der Cinematheque kommen.«
Tuwja Schaj stand auf und ging erstaunlich folgsam Michael voraus.
»Wir fangen in der Universität an, bei Tiroschs Zimmer. Ich muß ohnehin ein paar Worte mit Frau Lifkin sprechen«, sagte Michael, als er seinen Ford anließ.
Es war schon nach zwei. Adina Lifkin, das wußte Michael, würde auf ihn warten, auch nach ihrer Arbeitszeit, trotzdem beeilte er sich.
Sie wartete tatsächlich, die Hand auf die Wange gedrückt. Sie sagte nichts über die Zahnbehandlung, die sie hinter sich hatte, doch ihr Gesicht demonstrierte Leiden und unendliche Selbstaufopferung.
»Der Schlüssel zum Postfach von Professor Klein?« fragte sie verwirrt und nahm die Hand von der Wange. »Ich verstehe nicht, er ist doch wieder da.«
»Und wie war das, wenn jemand ihn haben wollte, als er noch nicht wieder da war?« fragte Michael. »Ach so«, sagte Adina Lifkin, »das ist was anderes. Ich habe jeden Tag die Post aus seinem Fach genommen.«
Michael konnte sich die Zeremonie genau vorstellen. Als lese sie seine Gedanken, sagte Adina Lifkin: »Um eins mache ich mir immer eine Tasse Kaffe, weil ich so erledigt bin von der Sprechstunde, und danach habe ich jeden Tag sein Fach geleert und die Post angeschaut, von außen natürlich, nur Eilpost habe ich geöffnet. Briefe habe ich ihm alle zwei Wochen nachgeschickt, das hatten wir ausgemacht.« Sie schaute ihn an. »So war das. Sind wir jetzt fertig?«
Doch Michael ließ nicht locker. »Haben nur Sie die Post rausgeholt? Hat kein anderer sein Postfach geöffnet?«
»Dann hätte er ja den Schlüssel von mir bekommen müssen«, sagte sie vorsichtig.
»Und wenn Sie nicht da waren?« fragte Michael.
»Das gibt es nicht, sogar wenn ich Fieber habe, komme ich zur Arbeit, man kann nicht alles liegenlassen«, sagte Adina Lifkin, sichtlich entsetzt bei dieser Vorstellung, doch dann faßte sie wieder nach ihrer Wange. »Es ist nur ein paarmal passiert, daß ich nicht bei der Arbeit war, wegen einer Zahnbehandlung, weil mein Zahnarzt nur morgens Sprechstunde hat, doch dann habe ich das Fach einfach nicht geleert, die Sachen haben bis zum nächsten Tag gewartet.«
»Wo haben Sie ihn aufgehoben?«
»Den Schlüssel? Hier, neben dem Generalschlüssel, in meiner obersten Schublade, weil ich in der zweiten Schublade ...«
»Das heißt, jeder hätte ihn herausnehmen können?« fragte Michael und sah, wie sie zwischen dem Gefühl, antworten zu müssen, und dem ungeheuren Bedürfnis, den angefangenen Satz zu beenden, hin und her gerissen wurde. Schließlich erlaubte sie sich ein Kopfnicken. Jeder wußte, wo sich der Schlüssel befand.
»Und Racheli?«
»Racheli kennt die Regeln«, antwortete Adina Lifkin. »Sie selbst hat das Fach nie geöffnet.«
Genau im passenden Augenblick machte Elfandari die Tür auf und sagte: »Sie ist da.«
Michael warf einen Blick durch die Tür und sah die zierliche Gestalt in einem geblümten Sommerkleid und geflochtenen Sandalen, einen Stapel Papier unter den Arm geklemmt, die ihn mit großen Augen anschaute. Er trat zu ihr auf den schmalen Korridor. Tuwja Schaj blieb im Sekretariat, und Rafi Elfandari ging hinein und machte die Tür hinter sich zu. Sie gingen zu einer ruhigen Stelle. Michael schaute schnell um die Ecke, es war kein Mensch zu sehen. Racheli lehnte sich an die Wand. Ihr Gesicht war blaß.
»Ich möchte Sie etwas fragen«, sagte Michael leise.
Sie wartete angespannt, sagte aber kein Wort.
»Es geht um den Schlüssel zu Professor Kleins Postfach«, fuhr Michael mit gesenkter Stimme fort und schaute sich um. Noch immer war niemand zu sehen.
Sie bückte sich und legte mit einer schnellen Bewegung den Stapel Papiere auf den Boden, dann lehnte sie sich wieder an die Wand.
»Was ist mit dem Schlüssel?« flüsterte sie. Sie hob den Kopf, um ihn anzuschauen, er mußte den Kopf senken, um ihren Blick zu treffen.
»Haben Sie in der letzten Zeit mal seine
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