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Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Titel: Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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damals nicht eingefallen, sagte er zornig, daß jemand wie Tirosch ... »Wie hätte ich es wissen können?« klagte er. »Ich war auch so jung, und er hat so europäisch ausgesehen, so sensibel und so glaubwürdig. Und wie ich mich gefreut habe, als das Buch herauskam! Wie hätte ich wissen sollen, daß es nicht das richtige Buch ist?«
    Michael tröstete ihn nicht.
    Er würde die Aussage ins Englische übersetzen und Boris veranlassen, die ganze Geschichte zu unterschreiben, sagte Löwenthal, bevor sie sich verabschiedeten. Falls Boris nach der Aufregung am Leben bleibe. Er hoffe, daß Michael Boris eine Aufdeckung all der schmerzlichen Erinnerungen ersparen könne, doch als Mann des Gesetzes wisse er – er lächelte –, daß er bei der Aufklärung mithelfen müsse. Schon weil er sich schuldig fühle, verantwortlich, weiß der Himmel was – der junge Tirosch habe so vertrauenswürdig ausgesehen, so ernsthaft, so wunderbar, und er war damals ein Student, woher hätte er es wissen können. Dann fragte er mißtrauisch: »Von wem sind eigentlich die Gedichte in dem Band, der Ferbers Namen trägt?«
    Michael zuckte mit den Schultern und sagte langsam, in seinem vorsichtigen Englisch, er könne in diesem Fall nicht besser raten, als Löwenthal es könne. Löwenthal schwieg.
    Dann sagte er zum Abschied die Worte, die Michael nun, um drei Uhr nachts, in einem Hotel in North Carolina, während er vor dem stummen Aufnahmegerät saß, im Kopf herumgingen. »Es gibt kein schlimmeres Schicksal als das eines mittelmäßigen Künstlers«, sagte Löwenthal philosophisch, ohne große Betonung.
    Michael schloß das Fenster und dachte, wenn er es schaffe einzuschlafen, hätte er noch fünf Stunden Schlaf, bevor er noch einmal zum Krankenhaus ginge.

Zwanzigstes Kapitel

    Alle sprachen durcheinander. »Sag ihm, wir hätten Fingerabdrücke auf dem Auto gefunden«, sagte Balilati nachdrücklich. »Was macht es schon, das zu sagen? Was hast du zu verlieren? «
    »Ich glaube trotzdem nicht, daß es wegen der Gedichte war«, sagte Elfandari und drehte sich verlegen um, als Zila schwerfällig von Stuhl zu Stuhl ging und jedem einen Stapel weiterer Mappen hinlegte.
    Eli Bachar wiederholte seine Frage: »Was können wir nun tun?«
    Und Arie Levi blätterte in den Unterlagen, dann schlug er mit der flachen Hand auf den Tisch. Mit seiner lauten Stimme brachte er sie schließlich zum Schweigen. »Vielleicht hören wir, was der Chef der Sonderkommission zu sagen hat? Vielleicht hat er einen Vorschlag? Nun, Ochajon?«
    Michael war wie betäubt. In seinem Kopf summten die Stimmen von den Bändern, und er hatte das Gefühl, mit dem Körper noch immer nicht auf dem Erdboden zu stehen. Er wollte nicht hören, was hier im Zimmer gesagt wurde, doch die Stimmen drangen durch den schweren Nebel zu ihm durch. Trotzdem schwieg er.
    »Vielleicht können Sie uns bis morgen mitteilen, was Sie vorhaben, aber Sie haben überhaupt nichts Richtiges in der Hand«, sagte Arie Levi laut und gereizt. »Für mein Gefühl ist das einfach nur eine zusätzliche Spur, wollen Sie, daß ich Ihnen erkläre, wie sich die Sache bei Gericht macht? Mit so einer Geschichte kann man jemanden nicht mal länger als achtundvierzig Stunden im Gefängnis behalten, oder haben Sie sogar das vergessen?«
    Michael schwieg noch immer.
    »Was wollen Sie denn tun?« brüllte Arie Levi. »Reden Sie doch, oder halten Sie uns für zu dumm, zu verstehen, was Sie sagen, weil Sie sich dauernd mit Dichtern und Leuten von der Universität unterhalten?«
    »Ich bin mir noch nicht sicher«, sagte Michael schließlich. »Er ist nicht so dumm, daß er zusammenbricht, wenn ich ihm was über Fingerabdrücke oder so erzähle.«
    Es wurde still. Sogar der Polizeichef unterbrach die Stille nicht. Einige Sekunden vergingen, bis Balilati, der Schweigen nie lange aushielt, fragte: »Und was bringt ihn dazu, zusammenzubrechen?«
    »Etwas anderes«, antwortete Michael langsam und bemerkte, wie seine eigene Verwirrung die anderen ansteckte. Die Spannung im Zimmer war fühlbar, es wurde leise geflüstert.
    Eli Bachar sagte verzweifelt: »Schau, ich war in den letzten drei Tagen bestimmt vierzig Stunden mit ihm zusammen, dieser Mann ist zu, im ganzen Leben habe ich so etwas noch nicht gesehen. Du hast die Bänder ja selbst gehört. Man kommt nicht an ihn heran. Du redest und redest, und er ist nicht da.«
    »Es gibt einen Weg, zu ihm durchzudringen«, sagte Michael, »und ich werde es schaffen. Aber verlangt nicht

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