Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort
jungen Mann, der einen Arztkoffer in der Hand trug. Michael trat näher heran, er achtete nicht auf die innere Stimme, die ihn darauf hinwies, daß er im Urlaub war und ihn das alles nichts anging.
Ein paar Leute versammelten sich bereits um den auf dem Sand ausgestreckten Taucher. Der Arzt befreite ihn von der Ausrüstung, legte die Maske in den Sand, riß den Taucheranzug auf und begann mit der künstlichen Beatmung.
Jetzt konnte Michael den Hals sehen, geschwollen und aufgeschwemmt wie die Knöchel der alten Frauen, die die vollen Körbe vom Markt schleppen. Der Arzt drückte mit schnellen, sicheren Bewegungen auf den weichen Hals, lokkerte den Druck, drückte wieder. Plötzlich stand Usi neben ihm und rief mit Panik in der Stimme: »Schon gut, kommt, bringen wir ihn in die Druckkammer.« Der Arzt schüttelte den Kopf, ohne ihn anzusehen, und sagte: »Das nützt nichts. Die Druckkammer müßte so groß sein, daß man ihn auch beatmen könnte. Schau doch, wie stark vergrößert seine Pupillen sind, schau dir den Hals an, er hat schon subkutane Emphyseme, ich bin sicher, daß innere Organe gerissen sind.«
Und zu seinem Entsetzen sah Michael, wie ein dünnes Rinnsal von Blut aus den bläulichen Mundwinkeln über das Kinn lief, und dann, während eine Welle von Übelkeit über ihm zusammenschlug, hörte er den Arzt etwas von Intubieren sagen. »Ich bezweifle, daß es hilft, aber wir haben nichts zu verlieren«, sagte er, während er geschickt ein Röhrchen in die Luftröhre schob. Michael, wie Juval, der als Kind auf merkwürdige Weise von eben jenen Dingen angezogen worden war, die ihn am meisten ängstigten, fühlte nun ebenfalls den Zwang, näher zu treten, die Pupillen zu betrachten, die immer größer wurden, den Blutstrahl, den Schnitt, den der Arzt gemacht hatte, um den Schlauch einzuführen. Das alles sah er, und es war ihm neu.
Noch nie zuvor habe ich die Leiche eines Tauchers gesehen, dachte er erstaunt und versuchte, mit Hilfe der »wissenschaftlichen Methode« die Übelkeit zu beherrschen. Diese Methode, sich von einem Toten zu distanzieren und »seinen Job zu machen«, hatte ihm einmal ein Pathologe erklärt, als er zum ersten Mal, damals noch Inspektor bei der Polizei, bei einer Obduktion zugesehen hatte. Aber die Übelkeit wurde schlimmer. Der Körper war naß und aufgeschwemmt, die Haut sah aus, als wäre ein Schwamm unter ihr gewachsen, und der rosafarbene Ton der Gesichtshaut – eine überraschende Farbe für einen Toten, dachte Michael – wurde langsam bläulich. Schließlich kniete der Arzt neben dem Kopf des jungen Mannes, drückte seine Augenlider
herunter, rieb sich die Hände mit Sand und packte seine Instrumente in die Tasche.
Während der ganzen Zeit stand Usi in hilflosem Schweigen da. Als der Krankenwagen mit dem Notarzt kam, schüttelte er sich und half, den aufgedunsenen Körper auf die Bahre zu heben.
Der Notarzt sprach ein paar Worte mit dem behandelnden Arzt, und Michael schaute abwechselnd über das blaue Wasser und auf seine Uhr, während er ganz automatisch, aus Gewohnheit, dem Gespräch lauschte, das hinter dem Krankenwagen geführt wurde. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Er war ganz rosa, Sie können die leichte Rötung noch an der Mundschleimhaut sehen, ich weiß nicht, es sieht aus wie eine Kohlenmonoxydvergiftung, aber vielleicht irre ich mich auch. Sie sollten es überprüfen.«
Michael hörte die Antwort, ohne sie aufzunehmen, bis auf den letzten Satz: »Gut, wir werden es untersuchen.« Die Fachausdrücke sagten ihm, wie üblich, nichts.
Die Tür des Krankenwagens wurde geschlossen und die Sirene eingeschaltet. Ihr Heulen erschreckte die Leute am Strand, als ob dieses Geräusch in die Straßen von Großstädten gehörte. Ein Schauer lief über Michaels Rücken, und er fragte Usi, der neben ihm stand und mit dem Fuß in den Sand stieß, was eigentlich passiert war.
Vor zwanzig Jahren hatte er Usi Rimon, den Leiter des Tauchclubs, zum letzten Mal gesehen. Sie hatten zusammen die Schulbank gedrückt, und der Lehrer hatte Usi eine äußerst düstere Zukunft vorausgesagt. Trotz der Jahre, die vergangen waren, hatte Usi den jungenhaft begeisterten Gesichtsausdruck nicht verloren, an den sich Michael aus seiner Schulzeit noch genau erinnerte. Er, Michael, lebte damals im Internat, während Usi nur zum Unterricht in die Schule kam – und selbst das nicht mit allzu großer Regelmäßigkeit – und anschließend nach Hause zu seinen Eltern ging. Michael wurde oft
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