Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort
Flasche Wein, die sie zu dem von Usi selbst gekochten ausgezeichneten Essen tranken, half.
Zum ersten Mal nahm Michael die Ähnlichkeit zwischen Usi und seiner Mutter wahr, den Schnitt der Lippen, die schrägen Augen, und erwartete fast, ihren wunderbaren Duft zu riechen, den er seither vergeblich an jeder Frau gesucht hatte. Nur Majas Körper verströmte einen ähnlichen Duft. Usi aber roch nach Meer.
Michael konnte das Gefühl der Erleichterung nicht leugnen, das er nach der Anspannung der Begegnung und der ersten Freude empfand, als er feststellte, daß Usi ein bißchen dick geworden war und sogar schon anfing, eine Glatze zu bekommen. Das hatte etwas Tröstliches. Noch nicht einmal an diesem ewig jungen Mann war die Zeit spurlos vorübergegangen, trotz seines sportlichen Lebensstils, trotz seiner Sonnenbräune, trotz der fast immer lachenden Augen.
Jetzt, am Strand, stand Panik in Usis Augen.
»Was ist eigentlich passiert?« fragte Michael noch einmal, und Usi sagte, das sei eben das Problem, daß er nicht wisse, was passiert sei. Bei diesen Worten deutete er auf die Ausrüstung des jungen Mannes, die im Sand zurückgeblieben war. »Sie haben auch die Preßluftflaschen mitgenommen«, sagte er. »Vielleicht sind sie undicht. Ich habe ihn vor dem Tauchen gefragt, und er hat gesagt, er habe die Ausrüstung vor zwei Monaten gründlich geprüft. Ich weiß nicht, was passiert ist, aber er war nicht allein, er war mit einem Lehrer zusammen. Wir müssen die Untersuchung abwarten. Solche Sachen machen einen fertig. Jetzt warte ich nur darauf, daß alle aus dem Wasser kommen. Hier, da ist dein Junge schon.«
Michael blieb stehen und sah zu seinem Sohn hinüber, der sich ein paar Meter von ihm entfernt in den Sand setzte, Maske, Schnorchel und Flossen abnahm und schließlich den schwarzen Taucheranzug auszog. Dabei hörte er aufmerksam den Ausführungen seines Tauchlehrers Gai zu, der neben ihm stand und ihm in Windeseile die ganze Ausrüstung abnahm, während er seine Rede mit heftigen Gesten begleitete und keine Pause beim Sprechen machte. Nun, da Michael seinen Sohn sah, munter und lebendig, merkte er erst, wie groß seine Angst gewesen war.
»Wer ist der junge Mann eigentlich, der den Unfall hatte?« fragte er Usi, und der antwortete zerstreut: »Irgendeiner aus Jerusalem. Er heißt Ido Duda'i, ein bißchen schwerfällig, aber in Ordnung, einer, der kein Geld hatte und schon immer mal tauchen wollte. Er hat den Kurs schon vor einem Jahr angefangen, hatte aber dann kein Geld mehr und konnte nicht weitermachen, einer von der Uni. Ich hoffe immer noch, daß er es überlebt, ich warte darauf, daß man mich anruft, sein Tauchlehrer ist mit ihm gefahren. Mehr kann ich dir auch nicht erzählen, er hat eine Frau und eine kleine Tochter.« Mit schwacher Stimme fügte er hinzu: »Nun, vielleicht überlebt er es ja. Die Ausrüstung ist nicht von uns. Er hat sie geschenkt bekommen, als er den Kurs angefangen hat, ich weiß nicht, von wem. Ich weiß auch gar nichts über die Preßluftflaschen. Vielleicht sind sie undicht.«
»Vielleicht war der Atemregler nicht in Ordnung?« fragte Michael und sah wieder die Schlagzeile der Zeitschrift vor sich, die er zusammengerollt in der Hand hielt. Usi betrachtete ihn interessiert und fragte: »Seit wann bist du denn Sachverständiger für Taucherausrüstungen? Willst du es auch lernen?« Michael hielt ihm die Zeitschrift hin und erinnerte sich plötzlich an die Wut, die Usi immer gepackt hatte, als sie zusammen für das Abitur lernten, besonders für Geschichte, daran, daß die dicken Bücher, die sie lesen sollten, bei Usi einen übermächtigen Wunsch nach Schlaf geweckt hatten, schon beim ersten Buch, während Michael schon zweimal die fünf anderen gelesen hatte.
Usi begann Gai in allen Details von dem Unfall zu berichten, und Juval hörte gespannt zu. Gai, ein junger rothaariger Mann, zeigte zunehmendes Entsetzen. Die Sommersprossen auf seinem runden Gesicht traten immer deutlicher hervor, je blasser er wurde.
Michael betrachtete forschend Juvals Gesicht, das gerade noch von seinem Taucherlebnis gestrahlt hatte und nun immer ernster wurde, und während Wörter wie »atmosphärischer Druck« und »Ventile« um sie herumschwirrten, konnte Michael an nichts anderes mehr denken als an die Frage, ob Juval auf den nächsten Tauchgang verzichten würde oder nicht. Es war heiß, er hatte Lust, für einen Moment in das tiefblaue Wasser einzutauchen. Doch er wußte, daß das unter diesen
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