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Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Titel: Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Umständen ungehörig wirken würde, wie eine Demonstration von Gleichgültigkeit.
    Die Frage des nächsten Tauchgangs wurde gelöst, als Usi verkündigte, daß für heute Schluß sei. Er versammelte die Lehrer, vier braungebrannte junge Männer, die aussahen, als ob man sie in ihre Badehosen gegossen hätte und sie nie andere Kleidung trügen, um sich und ging mit ihnen in sein Büro. Dort setzte er sich neben das Telefon und knabberte an den Fingernägeln auf eine Art, die in Michael eine bittere Sehnsucht nach dem früheren Usi weckte, Sehnsucht nach dem Jungen, nach seiner Mutter und seinem Vater und sogar nach Tschaikowskys Schwanensee, nach seiner ersten Begegnung mit der europäischen Kultur, die auf diese konkrete Weise durch die zarten Filter von Becky Pomeranz, Usis Mutter, über ihn hereingebrochen war.
    Sie saßen im Büro und warteten auf den Artruf. Usi weigerte sich, das Büro zu verlassen, und Michael blieb bei ihm. Beide rauchten schweigend. Der Aschenbecher füllte sich, und erst um vier Uhr nachmittags klingelte das Telefon. Michael hörte die Worte »Ja, ich habe verstanden«, und er spitzte die Ohren, als Usi sagte: »Und wie, wollt ihr, soll ich damit umgehen?« Und dann: »Es macht mir nichts aus, selbst hinzufahren, ich fühle mich trotzdem verantwortlich.« Schließlich legte er den Hörer auf und fragte mit gesenktem Blick, ob er mit Michael nach Jerusalem fahren könne. »Eigentlich gleich, wenn es dir nichts ausmacht, deinen Besuch etwas abzukürzen.«
    Michael ging hinaus, um Juval zu suchen, der nicht protestierte, und als sie ihre Sachen aus Usis Wohnung holten, sagte Juval: »Ich habe vor dem Tauchen zufällig ein paar Worte mit ihm gewechselt, er schien ziemlich okay zu sein, dieser Ido. Er hat gesagt, er unterrichtet Literatur an der Universität.« Offensichtlich überraschte es ihn, daß jemand, der sich mit Literatur beschäftigt, Interesse an einem Sport wie Tauchen zeigen könne.
    Als Michael seinen Sohn in Jerusalem an der Wohnungstür abgesetzt hatte, bot er Usi an, ihn zu Ruth Duda'i zu begleiten, um ihr die Nachricht zu überbringen, daß ihr Mann beim Tauchen ums Leben gekommen sei. »Unter noch nicht geklärten Umständen«, wie er es dann im Wohnzimmer der Wohnung in Ramat-Eschkol ausdrückte, als sie vor der Frau mit den großen, braunen Augen hinter runden Brillengläsern standen, während im Fernseher Sabbatabendnachrichten liefen.
    Usi, in kurzen Hosen und mit Sandalen an den Füßen, glich mit seinem wilden Bart einem Tier aus der Wüste, das man in einen Zoo gebracht hatte. Er paßte nicht hierher und wußte offensichtlich nicht, was er mit seinem Körper anfangen sollte.
    So fand sich Michael Ochajon in der Rolle wieder, die er schon gewohnt war. Er überbrachte die Nachricht.
    Sie weinte nicht, die rundliche Frau, deren Formen durch den dünnen Morgenrock noch betont wurden. Wegen des Chamsins, der über Jerusalem hing und eine ganze Woche lang seinen Griff nicht gelockert hatte, waren die Fenster der Wohnung, die zur Straße hinaus gingen, weit geöffnet, und die Geräusche der Autos und der Busse, die über den Eschkolboulevard fuhren, waren so deutlich zu hören, als führen sie mitten durchs Zimmer. Die Geräusche des Fernsehers, den niemand ausgemacht hatte, mischten sich mit dem Verkehrslärm und den Stimmen anderer Fernseher aus den umliegenden Wohnungen.
    »Wie geht es jetzt weiter?« fragte Ruth Duda'i wie im Traum, und Michael merkte sofort, daß sie unter Schock stand. Ruhig und langsam begann er, ihr zu erklären, daß man das Ergebnis der Obduktion abwarten müsse, um die Ursache des Unfalls zu erfahren, erst dann sei es möglich, über die Beerdigung zu sprechen. »Jemand wird ihn identifizieren müssen«, sagte er vorsichtig. »Sie sollten jemanden mitnehmen, der Ihnen nahesteht.« Dann erkundigte er sich, ob sie Familie habe.
    »Nur meinen Vater und seine Frau, und die sind gerade in London. Irgend jemand muß Idos Eltern Bescheid sagen – o Gott!« Erst da schien die Nachricht zu ihr durchzudringen, sie brach in Tränen aus.
    Usi war verlegen und erschrocken. Michael drückte die Frau in den einzigen Sessel im Zimmer und brachte ihr ein Glas Wasser, das er rasch aus der Küche geholt hatte. Während sie es trank, fragte er sie, wer jetzt zu ihr kommen könne, sofort, und sie sagte: »Scha'ul Tirosch« und gab ihm seine Telefonnummer. Michael wählte.
    Niemand nahm den Hörer ab in der Wohnung des Mannes, von dem sogar Usi, der sich sonst nicht

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