Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort
siebzig würde. Einen Moment lang meinte er die Stimme Juseks zu hören, seines ehemaligen Schwiegervaters, wie er sagte: »Eure Scheidung bringt uns um.« Schnell ging er hinunter und schloß sich Eli Bachar und Balilati an, die in dem Moment aufhörten zu reden, als er ins Auto stieg. Unterwegs holten sie Zila ab, und bis zum Restaurant Me'ir wechselten sie kein Wort mehr miteinander.
Das Lokal befand sich im Herzen des Machane Jehuda, im »Verfluchten Haus«. Durch die jahrelange Zusammenarbeit mit Zila hatte sich Michael daran gewöhnt, dieses Restaurant als einzigen Ort zu betrachten, an dem man sich erholen konnte, sich eine Pause nach dem Entdecken einer Leiche erlauben konnte, nach der Anspannung bei der Arbeit, nachdem man einer Obduktion zugesehen hatte.
Die drei jungen Männer, die als Köche, Kellner und Kassierer arbeiteten, empfingen Zila immer, als sei sie ihre lange verloren geglaubte Schwester. Michael gegenüber verhielten sie sich außerordentlich höflich und ehrerbietig. Einmal hatte er Zila neugierig gefragt, was sie ihnen denn über ihn erzählt habe. »Ich habe gesagt, du bist im Dezernat für Betrug und arbeitest mit der Steuerfahndung zusammen«, hatte sie zwinkernd geantwortet, und seither wurde Michael immer ein wenig verlegen, wenn sie sich seinetwegen besondere Mühe gaben, die Rechnung korrekt auszustellen. Dann starrte er immer die Wand über der Kasse an und betrachtete das Bild von Baba Sali und dann das von Raw Scharabi, der, einem Gerücht nach, dieses Gebäude verflucht haben sollte. Sein Bild, das über der Kasse hing, sollte den Fluch von dem Restaurant fernhalten.
Keiner wußte, wer von den drei jungen Männern, die im Restaurant arbeiteten, manchmal Käppchen trugen und manchmal barhäuptig herumliefen, Me'ir war. Auch diesmal begrüßten sie Zila enthusiastisch, hielten sich aber zurück, als sie die hochgewachsene Gestalt Michaels hinter ihr erkannten.
Auf Balilatis Frage: »Wie gehen die Geschäfte?« antworteten sie: »Wir können nicht klagen, Gott sei Dank.«
»Und dann noch drei Portionen Pommes frites«, sagte Zila zu dem Mann, der die Bestellung aufnahm. Er lächelte sie freundlich an, als sie erklärte: »Der Chamsin ist vorbei, und mein Appetit ist wieder da.«
Sie saßen im mittleren Zimmer. Michael schaute hinaus. Durch das große Fenster sah man in den dunklen, verwahrlosten vorderen Hof des Gebäudes. Der Fluch des Raw Scharabi hatte alle Mieter aus dem Haus vertrieben, und in der geisterhaften, dunklen Umgebung war das Restaurant Wir die einzige Lichtquelle. Zum ersten Mal bemerkte Michael den Farn, der sich an der Wand des Restaurants hochzog, und staunte darüber, wie grün er war, trotz des gedämpften Lichts in dem Raum. Er erinnerte sich an die vergeblichen Versuche Niras, in ihrer Studentenwohnung einen Farn zu ziehen, an die vielen anderen Pflanzen, die dahinsiechten, bis sie schließlich gelb und vertrocknet waren.
Zila folgte seinem Blick und sagte, als habe sie seine Gedanken gelesen: »Der Farn ist aus Plastik, und der andere dort auch.« Sie deutete auf die Wand hinter ihm. Als sie sah, wie sein Blick ihrem Finger folgte, sagte sie lächelnd: »Und hast du das schon gesehen?« Sie deutete auf die dunkelrote Backsteinmauer rechts von ihrem Stuhl, und zog vergnügt an einer Ecke. Darunter war eine nackte graue Wand. »Es ist Tapete, hast du das gewußt?«
Michael, der zugeben mußte, daß er immer gedacht hätte, die Mauer sei aus Backsteinen, hob verlegen den Kopf und betrachtete die Balken an der Decke, dann sah er sich die Karikatur von Perez und Schamir an, die, als Bauchtänzerinnen verkleidet, an der Wand gegenüber hing, neben großen Stierhörnern. Zila lachte laut und sagte: »Dabei bist du schon eine Million Mal hier gewesen. Und wenn man bedenkt, mit welcher Genauigkeit du Details bei einem Fall wahrnimmst ... Na ja, hier bist du nicht im Dienst, stimmt's?«
Michael beeilte sich zu protestieren und behauptete, an das Poster mit Perez und Schamir könne er sich erinnern, doch Zila gab nicht nach. »Ich behaupte, daß du kaum etwas wahrnimmst, wenn du nicht im Dienst bist, das ist es, was ich sagen wollte. Hast du das große Bild am Eingang des Restaurants bemerkt?«
Michael nickte unsicher. Sie legte den Kopf schräg und fragte herausfordernd: »Kannst du es auch beschreiben?« Michael wollte sich umschauen, aber sie hielt ihn zurück, er solle es aus der Erinnerung beschreiben. »Irgendwas mit Beduinen, vielleicht was
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