Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort
kannst keine Frau sehen, ohne ihr ein Kompliment zu machen. Glaub mir, auch ohne Sprüche beeindruckst du alle. Hör auf, so zu lächeln.«
Sein Lächeln wurde breiter. Seit sie verheiratet war, hatte Zila, die vorher ihm gegenüber eher zurückhaltend gewesen war, angefangen, ihm immer persönlichere Ratschläge zu geben, als sei eine drohende Barriere zwischen ihnen gefallen. Manchmal traf sie ihn mit ihrer spitzen Zunge.
Zweiunddreißig Jahre, dachte Michael, während das Hauptgericht kam und sein Hunger verflog. Er betrachtete die Platte: Schaschlik vom Rind, genau auf den Punkt gebraten, würzige, scharfe Kebabbällchen, und als Krönung des ganzen molesas , wie Zila und der Kellner das Fleisch nannten, dessen Herkunft zu verraten sie sich weigerten. Michael sehnte sich nach schwarzem Brot und weißem Ziegenkäse, nach Zwiebeln – nach den Dingen, die ihm in der Kindheit Appetit gemacht hatten, wenn er Bücher über arme Bauern las. Trotzdem nahm er sich etwas von dem Salat, ein Fleischbällchen und frisch gebackene, goldgelbe Pommes frites, die Zila versalzen hatte, und als Balilati laut verkündete, man könne wirklich den Geschmack des Arraks spüren, in dem sie das Fleisch vor dem Braten mariniert hätten, tauchte er auch ein paar Stücke von dem Schaschlik in die Sesamsoße und ließ sich das weiche Fleisch im Mund zergehen. Immer wieder dachte er an den letzten Satz, den Zila gesagt hatte. Zweiunddreißig, dachte er. Ein grausames Alter. Das Alter, in dem die Ernüchterung einsetzt, die Erkenntnis um das tatsächliche Ausmaß der Kompromisse. Er dachte an Maja und daran, daß er jetzt am liebsten mit ihr zusammen wäre. Zila aß nicht mit dem Appetit, den man von ihr gewöhnt war. Balilati sagte kein Wort, er widmete sich konzentriert und hingegeben dem Essen. Erst als er fertig war, klopfte er sich auf den Bauch und hielt eine Rede über die Qualität des Essens.
»Also«, sagte Zila beim Kaffee, »mache ich nun bei dem Fall mit oder nicht?«
»Du machst mit«, sagte Michael und ignorierte Elis besorgten Blick. »Unter der Bedingung, daß du genau das machst, was man dir sagt, und daß du keine Aktivitäten außerhalb des Gebäudes startest, es sei denn, du wirst ausdrücklich darum gebeten. Ich möchte Pate werden, und diesmal kannst du dich nicht beschweren, daß du nur die Koordination übernimmst, denn diesmal gibt es gute gesundheitliche Gründe.« Er warf Eli von der Seite einen Blick zu, dann hielt er Zila die Liste der Fakultätsmitglieder hin. Durch ihre Zeugenaussagen, erklärte er, bekomme man ein Bild von Tiroschs Lebensablauf. »Und vielleicht«, meinte er zögernd, »auch von Duda'is. Ich habe das Gefühl, daß es einen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen gibt, ich kann ihn nur noch nicht erkennen.«
»Dazu ist es noch zu früh«, sagte Balilati und gähnte.
Schließlich planten sie den Arbeitsablauf. Balilati würde sich erst einmal um die nachrichtendienstlichen Informationen kümmern. »Aber verschwinde ja nicht einfach für drei Tage«, warnte Zila, »morgen abend setzt du dich mit mir in Verbindung.« Dann beschlossen sie noch, in welcher Reihenfolge die Verhöre stattfinden sollten, und Michael und Eli teilten sich die Leute untereinander auf.
»Also erst übermorgen eine Sitzung?« sagte Zila um ein Uhr nachts, als das Lokal geschlossen wurde. Michael meinte, sie sollten sich am nächsten Abend treffen, vor den Befragungen, die sie am Mittwoch vornehmen würden. »Damit wir anhand der Informationen, die wir morgen sammeln, den Mittwoch planen können.«
Er brachte Eli und Zila zu ihrer kleinen Wohnung in Nachla'ot, dann fuhr er nach Hause, nach Giw'at Mordechaj.
In seiner Wohnung hing der Geruch von Staub. Er machte die Fenster weit auf und atmete die Luft, die nach einer Woche Chamsin kühl war, tief ein. Er überlegte, daß ihm nur noch vier Stunden zum Schlafen blieben, und dachte an das Gesicht Tuwja Schajs, den er am nächsten Morgen sehen würde, an seinen erloschenen Blick. Im Bett waren noch Spuren von Majas Duft. Doch das Bild Adina Lifkins, der Sekretärin der Fakultät, tauchte vor ihm auf, er hörte das Echo ihrer Stimme, auch wenn die Worte, die sie sprach, nicht zu passen schienen: »Zweiunddreißig Jahre unter deinem Himmel genügen, um das Ausmaß deiner Barmherzigkeit zu erkennen.« Das waren die Worte, die Michael Ochajon hörte, bevor er einschlief.
Siebtes Kapitel
Racheli betrachtete den dunklen Mann, der ihr gegenüber saß, seine langen,
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