Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort
lagen darauf, nur in einer Ecke ein runder Stein. »Ochajon, setzen Sie sich«, sagte der Bezirkskommandant, und Michael versuchte, seine Stimmung zu erraten. Er brauchte sich keine besondere Mühe zu geben, Arie Klein war verärgert. Michael wartete geduldig den Schwall von Flüchen ab, während er die Information daraus destillierte: Das Institut für Meeresmedizin und das gerichtsmedizinische Institut hatten der Polizei in Eilat mitgeteilt, daß Duda'i ermordet worden war. In Eilat war eine Sonderkommission zusammengestellt und durch Polizeibeamte aus dem Bezirk Negev verstärkt worden. Der Hauptgrund für den Ärger Arie Levis war die dortige Entscheidung, eine neue Sonderkommission zusammenzustellen, deren Mitglieder zu der landesweiten Einheit zur Aufklärung von Schwerverbrechen gehörten. »Kurz gesagt«, sagte Levi und stieß einen letzten Fluch aus, »sie verlangen, daß Sie, Ochajon, die Zeugen befragen und ihnen die Aussagen schicken, damit sie dann im Fall Duda'i ermitteln können.«
Michael Ochajon kannte die Prozedur gut genug, um sich nicht zu ärgern. Er konnte sich das Bild vorstellen: den Mann aus Eilat, der Verstärkung vom Bezirk Negev verlangte, die Übertragung des Falls erst zum Dezernat Süd, dann zum landesweiten Stab. Er wunderte sich nur über die Geschwindigkeit, mit der die Dinge diesmal passiert waren.
»Was für einen Rang hat der Chef der Dienststelle in Eilat?« fragte er.
»Ein Polizeikommissar«, knurrte Arie Levi verächtlich. »Sie haben auch einen Techniker vom Erkennungsdienst, aber kein Labor, deshalb haben sie auch schon am Sabbat Unterstützung vom Bezirk angefordert. Gleich als der Arzt vom Krankenwagen aus durchgegeben hat, es handle sich um keinen natürlichen Tod, möglicherweise um eine Kohlenmonoxydvergiftung, haben sie sich an das Institut für Meeresmedizin gewandt und außer den Preßluftflaschen Duda'is gesamte Taucherausrüstung hingeschickt.«
Michael schwieg lange, bevor er zögernd sagte: »Aber sie werden schnell herausfinden, daß das Ganze hier in Jerusalem seinen Ursprung hat, deshalb kann man voraussagen, daß sie sich an das Dezernat Süd wenden, und die werden zum Schluß alles uns übergeben.«
»Genau!« schrie Levi und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Das ist es ja gerade, was mich so aufregt, dieses ›zum Schluß‹! Die ganze Zeit, die vergeudet wird, obwohl es doch offensichtlich ist, daß die Ermittlungen hier, bei uns, stattfinden müssen, und daß sie dann die Lorbeeren ernten, obwohl wir ihre Arbeit getan haben!« Er breitete seine kleinen Hände aus, auf deren Rücken ein heller Flaum wuchs, und betrachtete den Ehering auf seinem Ringfinger.
Manchmal vergaß Michael, daß sich hinter der lächerlichen Erscheinung des Polizeichefs ein anderer Mensch verbarg als der, den man sah. Die Geschichten, die man sich über ihn erzählte, fielen ihm ein, wie er sich als Jugendlicher selbst durchgeschlagen hatte, wie er sich die Ausbildung mühsam zusammengespart hatte. Er ist fünfzehn Jahre älter als ich, dachte Michael, das heißt, er ist fünfundfünfzig, und er wird nicht weiter aufsteigen.
»Ich brauche Sie wohl nicht daran zu erinnern, wer jetzt der verantwortliche Offizier der Untersuchungsbehörde Süd ist, oder? Mit anderen Worten, ich möchte, daß Sie Ihren Freund vom Dezernat Süd, Imanuel Schorr, dazu bringen, daß er mit den Leuten dort spricht.«
Schon als er das Wort »Sie« hörte, mit einer ganz bestimmten Betonung, wußte Michael, wie der Satz enden würde. »Und ich möchte Sie auch darauf hinweisen«, fuhr Arie Levi fort, »daß Sie zwar der Liebling der Medien sein mögen, daß ich aber nicht der Ansicht bin, daß Sie fünf Minuten nachdem Sie die Leitung der Sonderkommission bekommen haben, gleich zum Fernsehen laufen müssen, um dort was Kluges von sich zu geben.«
Michael zündete sich eine Zigarette an, um Zeit zu gewinnen, erst dann fragte er, um was es gehe.
»Haben Sie gestern nicht die Spätnachrichten gesehen?« fragte Levi. Der bittere Ton in seiner Stimme wurde etwas sanfter, als Michael antwortete, er habe bis nach Mitternacht gearbeitet.
»Na, dann lassen Sie sich's mal erzählen! Eine Nahaufnahme von Ihnen, in voller Größe, in den Nachrichten um Mitternacht. ›Oberinspektor Michael Ochajon, der die Leitung der Sonderkommission übernommen hat und der bei diesem und jenem Mord einen Erfolg verbuchen konnte.‹ Ochajon, Sie arbeiten nicht alleine.«
»Ich bin denen nicht nachgelaufen«, fing Michael
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