Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort
wütend an, doch der Polizeichef interessierte sich nicht für seine Ausführungen. »Wenn Sie sich verdient machen wollen«, fuhr er aufgebracht fort, »dann sorgen Sie dafür, daß die ganze Sache uns übertragen wird. Nur uns! Damit ich nicht vor Ihrem Exboß im Staub kriechen muß, vor Schorr, der jetzt anscheinend so wichtig ist, daß seine Sekretärin gegenüber Gila dreimal gesagt hat, daß er nicht im Büro sei. Dreimal! Was soll ich davon halten? Als er noch hier gearbeitet hat, unter mir ... « Er beendete den Satz nicht, weil die Tür aufging und Gila mit zwei Flaschen Orangensaft hereinkam. Als sie wieder hinausging, lächelte sie Michael im Vorbeigehen an.
Der Strohhalm hatte einen Riß, und Michael trank direkt aus der Flasche, während er den Efeu betrachtete, der vor dem Fenster, in dem ganzen Staub, hartnäckig die Wand hinaufstrebte.
»Gut, ich werde noch heute mit Schorr reden, obwohl ich glaube, daß ein Wort von Ihnen genügt hätte. Ich weiß, wie sehr er Sie schätzt«, sagte Michael, als die Flasche leer war. Levi musterte ihn lange und mißtrauisch, bevor er sich räusperte und sagte: »Das ist jedenfalls Ihr Job, und Sie müssen dafür sorgen, daß Sie im Bild sind.«
Michael nickte, und dann, als erinnere er sich plötzlich, fragte Levi: »Was hat sie gewollt, Ihre Kollegin, wie heißt sie wieder, als sie vorhin hereinkam?«
»Wer? Zila? Deswegen wollte ich Sie noch heute sprechen, weil Asarja noch ein paar Wochen im Krankenhaus sein wird. Ich habe keine Ahnung, wer die anderen Teams koordinieren soll, das ist schließlich nicht unser einziger Fall. Nicht, daß ich mich aus allem rausziehen will ... Aber wir müssen realistisch sein.« Michael blickte Arie Levi besorgt an.
Dieser nahm einen Stift und notierte sich etwas. Schließlich sagte er zerstreut: »Gut, ich spreche mit Giora, er soll Ihnen alle notwendigen Informationen zukommen lassen. Aber Sie müssen aufpassen, daß Sie weiter über alles Bescheid wissen, verstanden?« Er strich sich mit der Hand über den dünnen Schnurrbart.
Erst als Michael das Zimmer verließ und Gila zulächelte, während er ihr mit dem Finger über die Wange fuhr, fiel ihm auf, daß der Satz, mit dem Levi üblicherweise ihre Gespräche beendete (»Das ist hier keine Universität!«), heute kein einziges Mal gefallen war, und aus irgendeinem Grund störte ihn das. Könnte es sein, dachte er, daß ich in den Augen des Polizeichefs ein normaler Mensch geworden bin – eine Möglichkeit, die Vorteile, aber auch eine ganze Reihe von Nachteilen hatte?
Tuwja Schaj saß noch immer neben der Tür zu seinem Zimmer. Er hatte die Ellenbogen auf die Knie gestützt und das Gesicht in den Händen vergraben. Michael traf erst noch eine Verabredung mit Imanuel Schorr, seinem Vorgänger im Amt, dann rief er Tuwja Schaj herein. Er mußte zu dem Mann hingehen und ihn an der Schulter berühren, erst dann erwachte Schaj aus seiner Erstarrung, sprang erschrocken auf und folgte der Aufforderung. Für eine Sekunde wurde sein Gesicht lebendig, dann fiel der Vorhang, und er sah wieder gleichgültig aus.
Neuntes Kapitel
Tuwja Schaj saß ihm gegenüber und beantwortete jede Frage. Seine Antworten waren sachlich, seine Sprache klar und präzise. Mit monotoner Stimme beschrieb er die Ereignisse der letzten Stunden, die er mit Scha'ul Tirosch verbracht hatte. Zuerst konzentrierte Michael sich auf das Mittagessen. Scha'ul Tirosch habe Gemüsesuppe und ein Putenschnitzel mit Kartoffeln gegessen, berichtete Tuwja Schaj und blinzelte mit den Augen, er selbst habe nur eine klare Brühe zu sich genommen. Er habe keinen Hunger gehabt, wegen des Chamsins, erklärte er auf Michaels Frage. Er erinnere sich, daß es halb eins war, als er Tirosch zu seinem Zimmer begleitete. Er sei noch mit hineingegangen, erklärte er, wiederum als Antwort auf eine Frage, weil er noch etwas habe holen müssen.
Auch als Michael wissen wollte, um was es sich gehandelt habe, wich er nicht aus, fragte nicht: Wieso ist das wichtig?, sondern antwortete sachlich: »Ein Prüfungsbogen mit Fragen, die Scha'ul für seine Studenten vorbereitet hatte. Er hatte mich gebeten, den Bogen am Sonntag Adina zum Kopieren zu bringen.« Die Frage, ob er bereit sei, sich einem Test mit dem Detektor zu unterziehen, beantwortete er ungerührt: »Warum nicht?«
Trotz seiner sachlichen, direkten Antworten wurde Michael zunehmend gereizter, je länger das Gespräch dauerte. Er hatte das fast körperliche Empfinden, daß Tuwja gar
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