Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort
Weiße Gedichte von Tirosch, die Madame Bovary von Flaubert, zwei Bände über das zaristische Rußland, Erzählungen von Tschechow und Gogol, einige Bände der Menschlichen Komödie von Balzac, auf französisch, The sound and the fury von Faulkner, Erinnerungen an Goldmann von Ja'akov Schabtai und einige Hefte von Zeiten, in einem war ein Aufsatz von ihm veröffentlicht, über die Gilden während der Renaissancezeit). Unter dem Telefon lagen die Strom- und Wasserrechnungen.
In dem blauen Sessel saß Maja, mit übergeschlagenen Beinen, und unter ihrem hellen Baumwollrock schauten ihre nackten Knie hervor. Im Zimmer brannte nur die Leselampe, und in ihrem Licht sah er den rötlichen Ton ihrer Haare, und auch die grauen Fäden darin. Sie schaute ihn an, ohne etwas zu sagen. Wegen der vollkommenen Stille, die im Zimmer herrschte – sie hatte noch nicht einmal das Radio angemacht –, wußte er, daß etwas geschehen war.
Nur wenn sie schlief, war ihr Körper ruhig, sonst war sie ständig irgendwie in Bewegung. Sie trommelte den Takt der Musik – sie hörte immer Musik –, manchmal kochte sie, auch wenn sie nur auf einen Sprung gekommen war, oder sie redete ununterbrochen, während sie gleichzeitig kochte und Musik hörte. Wenn sie ihn in seiner Wohnung erwartete, fand er sie meist in der Küche oder im Bett, mit zusammengezogenen Brauen in ein Buch vertieft, während ihre Hand über die Bettdecke strich. Manchmal, wenn sie müde war, saß sie in dem blauen Sessel und schaute fern, ein Buch auf den Knien. Noch nie hatte er gesehen, daß sie ruhig dasaß, mit übergeschlagenen Beinen, und aus dem Fenster schaute, wie sie es jetzt tat. Ihr Gesicht hatte einen Ausdruck, den er in all den Jahren, die er sie nun kannte, nur ein paarmal an ihr bemerkt hatte und der jedesmal plötzlich gekommen und wieder verschwunden war, ohne Erklärung. Sie saß starr da und sah zugleich verzweifelt und vollkommen ruhig aus, wie ein Mensch, dem eine Katastrophe bevorsteht, vor der er sich nicht schützen kann. Etwas in ihrem Gesicht ließ ihn schweigen.
Er setzte sich in den anderen Sessel, den geblümten, und legte die Schlüssel auf den kleinen Teetisch. Er wagte nicht, sich ihr zu nähern. Sieben Jahre waren sie nun zusammen, und noch immer gab es Momente, in denen er nicht wagte, ihr nahe zu kommen. Dann zündete er sich eine Zigarette an und wartete. Einige Minuten vergingen, bis er schließlich fragte, was passiert sei. Als er die Kälte in ihrer Stimme hörte und das leichte Zittern seiner Hände fühlte, wußte er, wie groß seine Angst war.
Maja schaute ihn mit verschleierten Augen an und bewegte ein paarmal die Lippen, bevor es ihr gelang, mit zitternder Stimme zu sagen, sie könnten sich für einige Zeit nicht mehr sehen. Es war das erste Mal, daß der Wunsch nach einer Trennung von ihr kam. Immer war er es gewesen, der versucht hatte, die Beziehung zwischen ihnen zu beenden, weil er ihr Doppelleben nicht mehr ertragen konnte, die gestohlenen Minuten, die sie ihm schenkte.
Schon zu Beginn ihrer Beziehung hatte sie klargemacht, daß sie nicht bereit war, über ihren Mann zu sprechen, auch nicht über ihre Ehe, und nicht einmal über die Gründe, warum sie nicht vorhatte, mit ihm zu leben. Nur Dana, ihre Tochter, die damals drei Jahre alt gewesen war, erwähnte sie manchmal. Michael wußte natürlich, wo sie wohnte, und er kannte sogar die Stimme ihres Mannes vom Telefon, als er die Beziehung, nachdem er sie abgebrochen hatte, wiederaufnahm. An dem Abend, als sie sich zum ersten Mal getroffen hatten, hatte er im Telefonbuch ihre Adresse nachgeschlagen. »Wolf, Maja und Dr. Henry, Neurochirurg«, stand da, und seither stellte er sich ihre luxuriöse Wohnung in der Hativonimstraße vor, den Ehemann, vielleicht grauhaarig, vielleicht älter als sie, aber zweifellos eine beeindruckende Erscheinung, und im ersten Jahr ihrer Beziehung hatte es ihm tief in seinem Herzen sogar geschmeichelt, daß sie, die in einem prachtvollen Haus in der Hativonimstraße lebte, mit einem Arzt als Ehemann (er hörte sogar den Klang eines Klaviers), ihn vorzog und zu ihm kam.
Nach einem Jahr erzählte er ihr, sich über sich selbst lustig machend, davon. Sie lachte, sagte aber nichts dazu. Er hatte ihr allerdings nie von den Malen erzählt, die er abends an der Straßenecke gestanden hatte, von dem einzigen Mal, als er sie hatte aus dem Haus kommen sehen, am Arm eines kleinen, mageren Mannes, der langsam ging, auch nicht davon, daß er im Sche'arei
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