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Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort

Titel: Ochajon 02 - Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Michael, sich auf die Vorfälle der letzten Tage zu beziehen, und erlaubte ihnen, sich sofort auf den Unterrichtsstoff einzulassen.
    »Was ist es, was dieses Gedicht trägt? Was ist seine tiefere Struktur? Worauf stützt es sich?« fragte Tuwja Schaj. Eine Hand hob sich zögernd, und einer der jungen Männer, der mit der Brille, begann zu sprechen, noch bevor Schaj ihn dazu aufgefordert hatte. »Es gibt zwei Anspielungen auf biblische Geschichten, zwei Allusionen«, sagte er mit eifriger, lebhafter Stimme.
    »Richter 13 bis 16, und 2. Samuel 13 bis 19«, sagte ohne Zögern die junge Frau mit Haarnetz.
    Tuwja Schaj nickte und fragte gespannt: »Und was machen wir damit? Wir hatten schon Gedichte mit Allusionen, aber hier gibt es gleich zwei biblische Texte in einem Gedicht, wie kommen wir damit zurecht? Wir haben die Allusionen identifiziert, und was nun?«
    »Wir sollten uns mit den Auslegungen der Texte befassen, auf die sie sich beziehen«, sagte eine der beiden älteren Frauen, nachdem sie in den vor ihr liegenden Papieren herumgeblättert hatte.
    »Erinnern Sie mich doch bitte«, sagte Schaj, und für einen Moment bekam sein Gesicht wieder den leeren, leblosen Ausdruck, den Michael bereits kannte, »wer sich bereit erklärt hat, das vorzubereiten?« Er senkte den Kopf über seine Unterlagen, und Michael schaute auf seine Uhr. Erst zehn Minuten waren vergangen. Wieder warf er einen Blick auf das Gedicht. Es machte ihn neugierig, gefiel ihm sogar, doch er wußte nicht, warum. Er verstand fast nichts, aber die Geschichte Davids und des Aufrührers Absalom hatte er immer geliebt. Manchmal hatte er das Klagelied »Mein Sohn Absalom, mein Sohn, mein Sohn Absalom! Wollte Gott, ich wäre für dich gestorben! O Absalom, mein Sohn, mein Sohn!« vor sich hingesagt, beim Autofahren, wenn ihn eine unerklärliche Traurigkeit gepackt hatte, lange bevor er selbst Vater geworden war.
    Wie durch einen Schleier hörte er die Stimme der älteren Frau, die mit einem nicht klar identifizierbaren Akzent – irgend etwas Osteuropäisches – aus der Schrift die Verse vorlas, die von der Geburt Simsons und seinem Leben handelten. Dann nahm sie für einen Moment ihre Lesebrille ab und fragte: »Und jetzt die Auslegungen?«
    Schaj nickte, und Michael fühlte auf eine Art, die er sich selbst nicht erklären konnte, die Anspannung, die den Dozenten gepackt hatte, eine Erregung, die immer stärker wurde, je länger die Frau die Auslegungen der Verse vorlas. Sie zitierte die Bibelkommentare in getragenem Ton, und Tuwja Schajs Hände ballten sich langsam zu Fäusten, je weiter sie kam.
    Als sie schließlich sagte: »Das war alles zu Simson«, machte Tuwja Schaj den Mund auf und sagte mit der Stimme eines Menschen, der Kindern ein Märchen erzählt: »Um was geht es da eigentlich, in der Geschichte von Simson? Haben Sie einmal darüber nachgedacht?«
    Es wurde ganz still. Michael beobachtete die Studenten. Einige spähten zur Tür, einige rutschten unruhig hin und her, aber Schaj wartete die Antwort nicht ab. »Haben Sie über den Widerspruch in dieser Figur nachgedacht? Über die Tatsache, daß er insgeheim ein gottgeweihter Nasiräer ist, also Enthaltsamkeit gelobt hat, ein Richter, der gleichzeitig sein Licht unter den Scheffel stellt? Ich möchte Sie daran erinnern«, seine Stimme wurde laut, und er hob den Finger, »daß er seinen Eltern nichts von dem Löwen erzählt hat, er hat nirgendwo damit geprahlt.«
    Er betrachtete die Studenten, dann wanderte sein Blick zum Fenster, durch das man eigentlich eine ferne Landschaft hätte sehen müssen, das aber in Wirklichkeit nur den Blick auf die Mauer des Gebäudes gegenüber freigab. »Haben Sie darüber nachgedacht, daß er ein Ehebrecher ist, der zweimal auf ähnliche Weise von zwei Frauen betrogen wird, sowohl von seiner Frau als auch von Delila, und daß seine Widersprüchlichkeit ihren Höhepunkt erreicht – wann? Wo ist der Höhepunkt der Widersprüchlichkeit in Simsons Charakter?«
    »In seinem Tod«, stellte der zweite junge Mann ruhig fest. Er starrte auf seine Füße, dann hob er die hellen Augen zu Schaj, der ihm aufmunternd zulächelte, seine Worte mit einem Nicken bestätigte und wiederholte: »Richtig, da, in seinem Tod, bekommt seine Gestalt fast mythische Dimensionen. Denken Sie darüber nach, dieser blinde Riese, der, umgeben von spottenden Philistern, um eine letzte Möglichkeit zur Vergeltung vor seinem Tod bittet. Stellen Sie sich das Bild vor, es zeigt eine durchaus

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