Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren
ist.«
»Worüber?« fragte Jojo. Im Licht der schwachen Glühbirne, die von der Decke baumelte, konnte Michael sehen, daß seine Sommersprossen blasser wurden.
»Worüber?« wiederholte Michael. »Das wissen Sie doch, warum tun Sie, als wüßten Sie es nicht? Ich weiß doch schon, um was es geht, vor allem, nachdem ich mit Roni gesprochen habe, dem Leiter eures Werks.«
Jojo blieb stur. »Worüber wollen Sie sprechen?«
Michael, der zu müde war, um seine Stimmbänder so zu kontrollieren, wie er es gewollt hätte, sagte fast schreiend: »Jedenfalls nicht über das Wetter! Ich will von dem Aufstand hören, den Osnat Ihnen wegen des Werks gemacht hat.«
Jojo schwieg.
Michael zündete sich eine Zigarette an und warf einen Blick auf seine Uhr. »Wir bleiben hier so lange sitzen, bis Sie reden«, sagte er wütend. »Sie hätten schon längst reden sollen, schon vor drei Tagen.«
Aber Jojo schwieg.
»Schauen Sie«, sagte Michael mit dem letzten Rest seiner Geduld, »ich weiß sogar den Namen der Creme, deren Rezept Sie an die Schweizer Firma gegeben haben, und ich weiß auch, daß sich der Kibbuz auf diese Weise von der Krise mit den Bankaktien erholt hat. Ich weiß schon die meisten Details. Warum wollen Sie mir also nicht sagen, wie Osnat das herausgefunden hat?«
»Zufällig, genauso zufällig wie Sie«, sagte Jojo endlich. »Sie hat es mir nicht im einzelnen erzählt, und ich habe sie davon überzeugt, wie recht ich hatte. Am Schluß war sie nur noch aus prinzipiellen Gründen wütend.«
»Wann haben Sie beide darüber gesprochen?« fragte Michael sachlich, als handle es sich darum, ein Formular auszufüllen.
»Nachdem sie das da geschrieben hatte. Ich war es nicht, der das Gespräch initiiert hat, ich habe diese Vorwürfe auch gar nicht richtig begriffen. Ich hätte mit ihr zu diesem Seminar fahren sollen, doch dann bin ich nicht gefahren, weil ...«
»Warum?« fragte Michael, nachdem er eine Weile auf das Ende des Satzes gewartet hatte und ihm auffiel, daß Jojo gegen ein heftiges Zittern ankämpfte.
»Wegen Untersuchungen, für die ich an diesem Tag bestellt wurde und die man nicht verschieben konnte, im Barsilai-Hospital«, sagte Jojo und fügte dann, während Michael ihn schweigend betrachtete, mit sichtbarer Anstrengung hinzu: »Ich habe Probleme mit den Augen. Verdacht auf einen Tumor hinter den Augen, wenn Sie alles so genau wissen müssen.« Und als Michael ihn weiterhin unverwandt anschaute, sagte er noch: »Am Schluß hat sich rausgestellt, daß alles in Ordnung ist.«
Michael schwieg.
Jojo sah aus, als suche er nach den richtigen Worten, abgehackt sprach er weiter: »Ich weiß nicht, was Roni Ihnen alles gesagt hat, aber es ist nicht so, wie Sie denken.«
Michael schwieg. »Auch schweigen muß man können«, hatte Schorer einmal zu ihm gesagt. »Und ob. Es gibt alle möglichen Arten von Schweigen. Aber das wirst du schon noch alleine herausfinden.« Und Jojo mußte jetzt sprechen. Ab diesem Punkt, den sie nun erreicht hatten, konnte er nicht mehr den Mund halten.
»Nachdem sie diesen Bericht geschrieben hatte, saß sie mit mir in meinem Zimmer, und wir sind die Rechnungen durch gegangen. Ich hatte schon gelesen, was sie geschrieben hatte, aber ich wollte sie nicht direkt danach fragen, ich habe nur eine Bemerkung über das Seminar gemacht, und da hat sie gesagt: ›Ich habe darauf gewartet, daß du ein Gespräch mit mir anfängst, denn mein Bericht im Bulletin war für dich bestimmt.‹ Haben Sie ein Glas Wasser für mich?«
Michael kämpfte mit sich. Er wollte den Rhythmus der Aussage nicht unterbrechen, und der Wasserhahn war außerhalb. Er hatte Angst, daß eine Unterbrechung Jojo zum Schweigen bringen könnte. Andererseits konnte er aber Jojos Bedürfnis nachempfinden, denn auch sein Mund war so trocken, daß er sich immer wieder die Lippen mit der Zunge anfeuchtete.
»Gleich«, sagte er. »Gleich bringe ich Ihnen Wasser.«
»Die Details sind nicht so wichtig ...« sagte Jojo und schaute Michael forschend an.
»Das werden wir noch prüfen müssen.«
»Schließlich habe ich kapiert, daß sie mit Roni gesprochen und er ihr von unserer Schweizer Konkurrenz erzählt hatte. Wir haben schon anderthalb Jahre davor von dieser Firma gewußt, es ist auch mal bei einer Sicha zur Sprache gekommen, aber das ist jetzt egal ...«
Michael schwieg.
»Kurz gesagt, sie hat eins und eins zusammengezählt und ist zu dem Schluß gekommen, daß ich die Formel an die Schweizer verkauft habe, um den
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