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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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manchem nicht fähig, nach allem, was passiert ist«, gab er zu. »Aber das klingt mir einfach zu raffiniert.«
    »Haben Sie die Tabellen gesehen, mit den Gewinnen, die das Werk macht?« fragte Michael. Meros erklärte, er habe sich nie dafür interessiert.
    »Aber ich habe sie gesehen, und ich hätte solche Zahlen nie erwartet«, sagte Michael. »Ich habe geglaubt, um solche Summen ginge es nur bei großen Konzernen. Im letzten Jahr, als die gesamte Industrie in Israel ins Schleudern gekommen ist, hat das Werk floriert und enorme Gewinne gemacht. Mit Daves Gesichtscreme aus Kakteen, und sogar mit der Verpackungsmaschine, die er erfunden hat.«
    »Nun, das Werk ist also erfolgreich«, sagte Meros, und plötzlich erschien ein leidender Ausdruck auf seinem Gesicht.
    »Fühlen Sie sich nicht wohl?« fragte Michael besorgt.
    »Doch, es ist alles in Ordnung« versicherte Meros. »Ich habe nur so plötzliche Schwächeanfälle, besonders wenn ich viel sitze.«
    »Sie hat also nie mit Ihnen über das Werk gesprochen? Über Industriespionage?«
    »Kein Wort«, versicherte Meros.
    »Können Sie sich vielleicht vorstellen, was sie mit der Formulierung ›Funktionsträger‹ gemeint haben könnte?«
    »Dafür muß man kein Genie sein«, sagte Meros. »Wie viele wirklich wichtige Funktionen gibt es in einem Kibbuz? Den Sekretär, den Kassenwart, den Sekretär für innere Angelegenheiten und die Mitglieder einer Reihe von Komitees. Und wenn Sie diesen Weg weiterverfolgen wollen, sollten Sie sich an die Leute halten, die mit Geld zu tun haben.«
    Noch am selben Abend, nach einem langen Gespräch mit Dave, klopfte Michael an Jojos Tür und bat ihn, zu ihm herauszukommen. Jojo warf einen Blick zurück ins Zimmer, in dem das blaue Flimmern des Fernsehers zu sehen war, und sagte: »Ich komme gleich wieder.« Draußen fragte er: »Wollen Sie wirklich nicht reinkommen?«
    »Es wäre besser, wenn wir zu mir gehen«, sagte Michael. Er sah Jojos knochige Beine, die unter den weiten, kurzen Hosen herauskamen, und sogar in dem schwachen Lichtschein von der Laterne am Ende des Wegs erkannte er deutlich die Schweißtropfen auf seiner Stirn.
    »Ich bin gerade erst von einer Sitzung zurückgekommen, ich bin ziemlich müde«, sagte Jojo.
    Michael ging auf diesen Hinweis nicht ein. Mit schnellen Schritten bewegte er sich in Richtung des alten Sekretariats.
     
    Jojo konnte das Zittern seiner Hände nicht beherrschen, auch als er sich das Bulletin auf die Knie gelegt hatte. Er las den Artikel, den Michael aufgeschlagen hatte, dann legte er das Heft neben sich auf das Bett. Michael hatte sich in den Sessel gesetzt, nachdem er erst den Ziegelstein zurechtgerückt hatte, der als Stütze daruntergelegt worden war.
    Jojo schwieg.
    »Was sagen Sie dazu?« fragte Michael mit einer Ruhe, die ihn große Anstrengung kostete.
    Jojo zuckte mit den Schultern, und als er antworten wollte, kamen heisere Laute aus seiner Kehle. Er starrte auf den Fußboden. Michael unterdrückte den Impuls, ihn an den Schultern zu packen und zu schütteln. Vielleicht ist es nicht gut, ein derartiges Gespräch nach einem so langen Tag zu machen, dachte er, aber das Trommeln zwischen seinen Schläfen erinnerte ihn daran, daß er keine Zeit vergeuden durfte.
    »Möchtest du vielleicht, daß jemand anders das macht? Oder willst du heute noch zurückfahren?« hatte Sarit gefragt, als er, noch aus dem Krankenhaus, bei der Spezialeinheit angerufen hatte. »Machluf Levi ist dort in der Gegend, außerdem noch ein paar andere, du mußt nicht immer ...«
    An dieser Stelle hatte er das Gespräch abgebrochen und erklärt, er sei auf dem Weg zum Kibbuz. Nun dachte er darüber nach, warum er es immer vorzog, allein zu arbei ten. »Ein einsamer Jäger«, hatte Nahari ihn genannt und warnend gesagt: »Hier können Sie nicht so arbeiten wie früher in Jerusalem. Wenn Sie diesen Fall schnell klären wollen, bevor die nächste Katastrophe passiert, sollten Sie Ihre Arbeitsmethode revidieren. An Ihrer Auffassung vom Umgang mit Kollegen stimmt was nicht, davon haben wir schon gehört, bevor Sie hier angefangen haben, aber bei uns läuft das nicht.«
    »Schauen Sie«, sagte Michael und beugte sich zu Jojo, der völlig in sich versunken auf dem Bett saß, die Augen auf die Fingerspitzen gerichtet, deren Zittern er zu verbergen suchte. »Es gibt keinen Grund drumherumzureden. Es wäre besser, wenn Sie offen sprechen, egal, was Sie zu sagen haben. Sie können mir glauben, daß es das beste

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