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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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nachgrübeln ließ, ob das Ganze nicht vielleicht eine Falle war. »Weil Uri im Ausland ist«, hatte Nahari gesagt, als er ihm den Fall übergeben hatte. »Und weil die anderen Chefs der Abteilungen schon was zu tun haben, deswegen schlage ich vor, daß Sie die Sache übernehmen.« Zu diesem Zeitpunkt hatte Michael der Verdacht beschlichen, daß es sich um eine Falle handeln könnte, um eine ausgeklügelte Methode, ihn zu Fall zu bringen. »Sei vorsichtig, sie lauern hinter jeder Ecke auf dich«, hatte Schorer ihn gewarnt.
    Hier in der Spezialeinheit gab es keine offenen Konflikte, keine widerstreitenden Gefühle, die ihn früher immer erregt hatten, wenn er mit einem neuen Fall anfing. Damals, in der Distriktspolizei Jerusalem, hatte jeder Fall etwas Erschrekkendes und Aufregendes, während er sich hier wie in einem fremden Land fühlte. Naharis Verhalten unterschied sich in allem von den Ausbrüchen seines früheren Chefs, Arie Levi. Hier gab es keine offenen Spannungen, und es war unmöglich, das Gesicht zu verziehen und die Spannungen mit einem Spruch wie »Er ist heute eben nicht gut drauf« zu lösen. Hier war auch nichts von der Vertrautheit zu spüren, die er in der Gesellschaft Elis oder Zilas empfunden hatte. Und hätte ihm jemand vorausgesagt, daß der Tag kommen würde, an dem er sich sogar nach Dani Balilti, nach seinem dicken Bauch und seinem verwahrlosten Äußeren zurücksehnen würde, hätte er das ernsthaft bezweifelt. Doch die Leistungsfähigkeit hier, die Datenbank, und sogar die Leute seiner kleinen Abteilung, die eigentlich spezialisiert war auf Naziverbrechen, weckten in ihm ein unbehagliches Gefühl, so als unterziehe man ihn einer Prüfung.
    Ihn beleidigte die Notwendigkeit, die eigenen Fähigkei ten beweisen zu müssen, und das brachte ihn dazu, vorsichtig zu sein, wenn er etwas sagte. Er traf sich mit keinem seiner Kollegen außerhalb des Gebäudes, außer wenn es um etwas Berufliches ging, und an den Abenden sehnte er sich nach den abendlichen Sitzungen in Me'irs Lokal, Sitzungen, von denen Arie Levi nichts wußte.
    Hier war niemand wütend auf ihn, aber man achtete ihn auch nicht besonders. »Du mußt dich entscheiden: entwe der der Kopf des Fuchses oder der Schwanz des Löwen«, hatte Schorer lachend gesagt, als Michael nach den ersten Tagen zu ihm gekommen war und jenen Mann um Trost gebeten hatte, dem er diese Situation verdankte. »Du wirst dich daran gewöhnen«, hatte Schorer versprochen. »Steigere dich nur nicht in ein weiches Ego hinein. Ich baue darauf, daß du eines Tages noch Polizeichef wirst, der erste mit einem Magister Artium. Ein Glück, daß du kein Aschkenasi* bist. Wärest du auch noch Aschkenasi, hätte man dich nie im Leben diese Karriere machen lassen, jedenfalls nicht bei der Kriminalpolizei. Es ist an der Zeit, daß du kapierst, was du hast und was dir niemand nehmen kann. Und Nahari mag eine Kanaille sein, aber wenigstens gibt es dort Leute, mit denen du reden kannst. Sie sind Profis, sie haben Stil.« Schorer, wie immer, hatte mit aller Härte das formuliert, was Michael ihm wortlos mitgeteilt hatte: die Angst, »sein Element zu verlieren«, die Angst vor dem Unbekannten, die Anspannung, die er jeden Morgen beim Aufwachen spürte, die unbestimmte, drückende Last, die Schlaflosigkeit, unter der er sonst nur litt, wenn er an einem besonders schweren Fall arbeitete.
    »Nun, wer ist Ihre fünfte Kolonne dort? Hat Nahari keine Sekretärin?« hatte Schorer gefragt, und Michael hatte gelacht. Doch das Lachen verging ihm, als er anfing zu sprechen. Die Schärfe seiner Worte überraschte ihn selbst.
    »Dort ist alles wie in Tel Aviv, es ist ein anderes Territorium. Ich verstehe sie nicht, sie sind anders gebaut. Ich habe eine Sekretärin, eine, die immer aussieht, als wäre sie geradewegs vom Frisör gekommen, ihre Haare stehen senkrecht nach oben. Juwal hat gesagt, heute gäbe es so ein Gel, mit dem man die Haare steif macht, und er hat auch gesagt, das sei die letzte Mode. Daß sie bei der Polizei arbeitet, wäre das letzte, was ich mir bei ihr vorstellen könnte. Vielleicht beim Theater oder in einem Café ... aber nicht bei der Polizei. Es gibt dort so ein intellektuelles Gehabe, das mir auf die Nerven geht. Da war es mir lieber, wenn Gila, die Sekretärin von Arie Levi, auf ihrem Schreibtisch saß und sich die Fingernägel lackierte, zehnmal lieber.«
    »Hör auf mit dem Blödsinn«, hatte Schorer gesagt. »Ich mache mir keine Sorgen um dich. Du wirst dich

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