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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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eingewöhnen. Ich meine, in dieser Hinsicht mache ich mir wirklich keine Sorgen um dich.« Michael hatte nicht gefragt, in welcher Hinsicht er sich dann Sorgen mache. Die Dinge, die Schorer auf dem Herzen lagen, waren eben jene, über die sie nicht sprachen. Zum Beispiel über die Tatsache, daß Michael mit vierundvierzig noch immer allein lebte. Seit vierzehn Jahren war er geschieden, und sieben Jahre davon hatte Maja all seine romantischen Wünsche befriedigt. Nie hatte er mit Schorer darüber gesprochen, obwohl dieser immer den Verdacht gehegt hatte, Michael habe ein geheimes Verhältnis mit einer verheirateten Frau. Einmal hatte er sich sogar danach erkundigt, und Michael hatte nicht geantwortet. Seit seiner Trennung von Maja hatte es keine andere Frau gegeben. Einmal hatte ihn Schorer forschend angeschaut und gesagt: »Der Mann braucht eine Frau. Schließlich hast du keine Geige wie Sherlock Holmes. Ich weiß, in der Satzung steht, daß Detektive sich nicht verlieben sollen, aber so perfektionistisch mußt du doch nicht sein. Ich habe dich jetzt schon seit Monaten nicht mehr mit irgendeiner Frau gesehen.« Michael hatte verlegen gelächelt.
    Zum ersten Mal war nun das einzige Gefühl, das er bei einem neuen Fall empfand, das eines Jagdhundes. Er wunderte sich selbst über die Energie, die er gespürt hatte, als Nahari zum ersten Mal mit ihm über den Tod von Osnat Harel gesprochen hatte, doch er wußte, dies war nur die andere Seite der Fremdheit, die er empfand, des Mangels an Traurigkeit oder Bedauern, er wollte lediglich etwas beweisen. Was das war und wer es war, der das Gefühl, etwas beweisen zu müssen, in ihm wachrief, konnte er nicht in Worte fassen. Er hatte nur das verschwommene Gefühl, hier gehe es um eine andere Art der Ehre als zu Beginn seiner Karriere. Doch diesmal hatte die Angst zu versagen nicht nur mit ihm zu tun, sondern mit etwas, was er repräsentierte, und trotz des inneren Drucks weigerte er sich, der Sache auf den Grund zu gehen.
    »Auf einem fremden Platz zu spielen, das ist kein Picknick«, hatte Schorer gesagt. »Aber es bringt auch einige Vorteile, das wirst du schon noch merken.« Die bekannten Anzeichen von Müdigkeit, Enttäuschung und Angst, die er immer spürte, wenn er einen komplizierten Fall bekam, hatten sich jetzt in die pure Energie verwandelt, die man braucht, um eine Prüfung zu bestehen. Nahari, mit seinem Abschluß in Wirtschaft und Verwaltung an der Universität von Tel Aviv, sagte natürlich nie: »Das hier ist keine Univer sität«, ein typischer Spruch Arie Levis, des Chefs der Distriktspolizeidirektion Jerusalem, doch Michael hatte das Gefühl, daß Nahari den Ruf, der ihm vorauseilte, die Geschwindigkeit, mit der er die Leiter hinaufgeklettert war, und vor allem das Gerücht, er unterhalte eine freundschaft liche Beziehung zum Chef des Polizeipräsidiums, als Bedro hung empfand.
    Und noch etwas empfand er als Bedrohung. Michael merkte es daran, daß Nahari immer darauf achtete, daß er, Michael, saß, wenn er mit ihm sprach. Nahari war auffallend kleingewachsen, nicht dick, aber stämmig, vierschrötig. Im Laufe der Jahre hatte Michael gelernt, die Körpersprache kleiner Männer, die ihm gegenüber Unbehagen an den Tag legten, zu deuten. Sie achteten immer darauf, daß er saß, sie forderten ihn sofort auf, Platz zu nehmen, sobald er das Zimmer betrat. Naharis Äußeres zeigte überdeutlich seine narzißtische Haltung dem eigenen Körper gegenüber. Er trug ein leuchtend grünes Trikothemd, das seine Armmuskeln unterstrich, und dieser verzweifelte Versuch, sich ein jugendliches Aussehen zu bewahren, wirkte auf Michael pathetisch, vor allem, weil man Nahari seine dreiundfünf zig Jahre deutlich am Gesicht ansah, und an den ergrauen den Brusthaaren, die aus dem Hemdausschnitt herauslug ten. Heute war auch das Wort »Diät« gefallen, als jemand frische Burekas gebracht hatte. Naharis graue Haare waren im römischen Stil geschnitten, und der Anblick seiner gebräunten Haut verwirrte Michael, weil er daran denken mußte, welche Energie es den anderen kosten mußte, so auszusehen. »Jeden Morgen Gymnastik und Schwimmen, Joggen am Strand«, hatte Beni bewundernd und ohne einen Hauch von Spott gesagt, als er von Naharis Kondition sprach. »Um sechs Uhr morgens, jeden Tag, an den Schabbatot, an Feiertagen, im Urlaub, und das seit zwanzig Jahren.«
    Schorer hatte das mit den Worten abgetan: »Er ist einer, der sehr gut für seinen Arsch sorgt. Und bilde dir ja nicht

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