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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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es nicht. Auch nicht, als ...« Sie schwieg und blickte ihn erschrocken an.
    »Auch nicht, als was?«
    »Es gibt ein paar Dinge, von denen niemand etwas weiß.«
    Michael schwieg. (»Subtil ist noch untertrieben«, sagte Nahari später, als er die Aufnahme abhörte. »Die Stellen, wo Sie schweigen. Wer hat Ihnen beigebracht, wann man reden muß und wann die Klappe halten? Man sagt über Sie, das seien Ihre ganz besonderen Fähigkeiten.«)
    »Als Osnat fünfzehn war – niemand hat etwas davon gewußt, noch nicht einmal Aharon Meros, bis heute weiß ich nicht, wie es ihr gelungen ist, das geheimzuhalten –, geriet sie in Schwierigkeiten.«
    »Entschuldigung, welche Schwierigkeiten?«
    »Sie wurde schwanger, jemand hat sie geschwängert«, stieß Dworka aus.
    »Wer?« fragte Michael.
    »Was spielt das für eine Rolle?« sagte Dworka. »Jemand. Jemand, dem man nichts tun konnte.«
    »Wer?« beharrte Michael.
    »Ein Junge aus dem Kibbuz. Ein problematischer Junge, und ein Jahr jünger als sie. Mit vierzehn, stellen Sie sich das vor!«
    »Lebt er im Kibbuz?«
    »Ja, zu seinem Glück. Wir haben es bis heute geschafft, auf ihn aufzupassen. Das ist eines der Wunder bei uns, daß wir es schaffen, anomale Mitglieder zu schützen. Er ist wirklich anomal, aber er hat bei uns einen Platz. Niemand hat je daran gedacht, ihn loszuwerden.«
    »Wer ist er?« fragte Michael auf eine Art, die klarmachte, daß er nicht auf eine Antwort verzichten würde.
    »Der Sohn von Fanja und Secharja«, brach es aus Dworka heraus. »Aber das ist es nicht, worüber ...«
    »Sie wurde also schwanger, und dann?« fragte Michael, hellwach bei der Aussicht auf das, was ihm wie das Ende eines Fadens vorkam.
    Dworka schien ihre Worte jetzt sorgfältig abzuwägen. »Nur um zu zeigen, wie verschlossen sie war: Sechs Monate lang hielt sie ihre Schwangerschaft geheim! Niemand wußte davon, auch die Mädchen nicht, die mit ihr das Zimmer teilten. Sie müssen sich das vorstellen – die Intimität eines gemeinsamen Duschraums, das An- und Ausziehen in Gegenwart der anderen, einer Gruppe, die höchst sensibel auf Veränderungen bei den anderen reagiert. Aber niemand hat etwas gemerkt.«
    »Und es hat auch niemand gemerkt, daß die beiden eine Beziehung hatten?«
    »Es gab keine Beziehung, außer für kurze sexuelle Treffen. Vielleicht war es auch nur einmal. Auch das war damals nicht aus ihr herauszukriegen. Sie war zu wie eine Auster.«
    »Und wie ging es weiter?«
    »Riwa war damals unsere Krankenschwester, jetzt ist sie nicht mehr unter uns. Sie war es, die gemerkt hat, daß Osnats Periode nicht stimmte, und sie machte mich darauf aufmerksam, daß Osnat schon seit längerer Zeit Monatsbinden anhäufte, daß die Termine nicht stimmten, ich weiß es nicht mehr genau. Normalerweise hätte Riwa mit Lotte sprechen müssen, der Betreuerin, aber wenn es um Osnat ging, kam man normalerweise zu mir.« Dworka strich ihr graues Kleid glatt und warf ihm aus den halbzusammengekniffenen blauen Augen einen Blick zu, der ihm das Gefühl gab, ein billiger Voyeur zu sein.
    »Und weiter?«
    »Als Riwa mich darauf ansprach, fiel mir sofort ein, wie dick Osnat in letzter Zeit geworden war ... Schließlich lud ich sie zu mir ein, allein natürlich, ich fragte nichts, ich sagte ihr auf den Kopf zu, daß sie schwanger war.«
    »Und dann?«
    »Wir haben die Schwangerschaft unterbrochen«, sagte Dworka trocken.
    »Im sechsten Monat?« fragte Michael erschrocken.
    »Alles ist möglich, wenn man es nur will. Und ich war fest entschlossen, Osnat nicht den Fehler wiederholen zu lassen, den ihre Mutter gemacht hatte. Natürlich war es auch das, was sie wollte, das Kind loswerden. Das alles beweist Ihnen doch, wie wenig sie anderen vertraute, wie verschlossen sie war und wie weit ihre Selbstdestruktion ging.«
    »Und niemand hat davon gewußt«, sagte Michael nachdenklich.
    »Niemand. Außer Riwa, der Krankenschwester, die schon nicht mehr lebt. Sie ist vor einigen Jahren gestorben. Auch der Junge nicht. Sogar Fanja hat nichts davon erfahren. Niemand.«
    »Wie ist das möglich?«
    »Was meinen Sie?«
    »Daß niemand im Kibbuz etwas gemerkt hat.«
    Dworka schwieg.
    Zum ersten Mal fühlte sich Michael als Sieger. Doch dann sagte sie plötzlich, mit einem überraschend schlauen Unterton: »Ich wußte es. Vor mir konnte man nichts verbergen.«
    Michael sagte nichts. Sie trank einen Schluck Wasser, er steckte sich eine Zigarette an und dachte an Nira, seine geschiedene Frau. »Sie hat Augen auf

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