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Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren

Titel: Ochajon 03 - Du sollst nicht begehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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ihnen mit einem Blick beendete.
    Sie bewegten sich in Richtung der Zimmer, in denen die Heranwachsenden wohnten, einer Reihe von Baracken, in denen früher einmal die ersten Pioniere des Kibbuz gelebt hatten. Aharon erinnerte sich noch an Srulkes und Mirjams Umzug aus einer Baracke in ein Steinhaus. Jetzt wohnten in den Baracken junge Männer, die bei der Armee dienten, und Unverheiratete, die noch auf eine Wohnung warteten. Mojsch stand nun mit Amit, dem zweiten Sohn, an der Tür zu dessen Zimmer. Amit war als Freiwilliger zur Armee gegangen und hatte aufgrund einer Zeitungsanzeige frei bekommen, hatte Mojsch ihm vorher im Zimmer erklärt und ihm den Zeitungsausschnitt gezeigt: »Alle Befehlshaber werden gebeten, Kibbuzmitglieder zur Jubiläumsfeier zu beurlauben.« Aharon betrachtete den Soldaten und erinnerte sich daran, was Mojsch gesagt hatte: »Er ist beim Nachal, aber seine Einheit ist zur Zeit in Hebron. Ich weiß nicht, wie ich mich dazu verhalten soll. Du und deine Regie rung!« Dies war die einzige Bemerkung, die er zu Aharons Parlamentsmitgliedschaft gemacht hatte. Er nannte Amit »Sohn«, wann immer er ihn ansprach, und Aharon hatte wieder das Gefühl, versagt zu haben. Er selbst hatte nur zwei Kinder aus einer mißlungenen Ehe, einer Ehe, die von Anfang an eher ein Ergebnis der Umstände als der freien Wahl war. Arnon war erst sieben, Pisat war zehn, und es fehlte ihr, wie er zugeben mußte, die nachlässige Anmut der Mädchen hier. Chawale hatte sechs Kinder geboren, und noch immer trug sie zu Hause kurze Hosen und im Schwimmbad des Kibbuz einen Bikini, wie auf dem Familienfoto zu sehen war (eine Vergrößerung des Fotos, das Amit gemacht hatte, bevor er zur Armee ging, hatte Mojsch erklärt). Das Foto prangte eingerahmt auf dem Fernsehap parat. Chawale und Mojsch, Angehörige seiner Genera tion, waren hier immer noch ein junges Paar, und ihre Stellung in der Welt war gesichert. Mojsch war der Sekretär des Kibbuz, und Chawale, vorübergehend von der Arbeit befreit, gab einen Kurs in musikalischer Früherziehung. Die Tatsache, daß Aharon selbst Vorsitzender des Ausschusses für Erziehung in der Knesset war, hatte sie mit keinem Wort erwähnt. Seine politische Karriere interessierte Chawale offenbar nicht. Sie hatte, nach einem ersten, neugierigen Blick, ein Gähnen unterdrückt.
    Mittags traf sich die Familie zum gemeinsamen Essen im Speisesaal, und als Aharon sah, wie Amit eine große Gurke zerteilte, fiel ihm wieder auf, wie geübt die Chawerim immer Gurken, Tomaten und dergleichen fürs Abendessen geschnitten hatten. Jedesmal hatte er sich über diese Geschicklichkeit gewundert. Erst wurden die Gurken geschält, so dünn wie möglich, und dann in kleine Würfel geschnitten. Es folgten Tomaten und Zwiebeln, bevor der Salat mit Öl und, von Kennern, auch mit Zitrone angemacht wurde. Nach seinen eigenen frustrierenden Versuchen, eine Gurke dünn zu schälen und zu zerschneiden – von der Gurke blieb immer nur die Hälfte übrig, und die Tomate war fast immer ganz zerquetscht –, hatte er sich immer über dieses Ritual geärgert, das, wie er später in Büchern las, als typisch für Mahlzeiten im Kibbuz betrachtet wurde. Individualismus blüht hier nur, wenn es darum geht, Salat zu schneiden, hatte er bei seinem letzten Besuch gedacht. Die ganze individuelle Energie, die sich nirgendwo anders ausdrücken konnte, zeigte sich in der sorgfältigen, konzentrierten, individuellen Salatzubereitung. Früher hatte Aharon dieses Gefühl nicht benennen, nicht in Worte fassen können.
    Damals hatten die Kinder im Kinderhaus gegessen, au ßer an den Schabbatot, an denen es aber keinen Salat gab, sondern Hühnersuppe und ausgelaugtes Hühnerfleisch (Chumus und Tchina wie heute mittag hatte es damals überhaupt nicht gegeben, ebensowenig die wohlschmekkenden Käsepasteten, die Burekas genannt wurden). Wenn er damals mit Mojsch in die Stadt fuhr, schleckte dieser gierig das Eis, das Aharon kaufte. Und einmal, als sie zwei Tage bei seiner Mutter in der Stadt verbrachten, hatte er unbedingt dreimal ins Kino gehen wollen. Heute gab es Video, heute brachte ein klimatisierter Autobus jeden, der sich dafür eingetragen hatte, zum benachbarten Kibbuz, zu einem Open-Air-Rockkonzert im dortigen Amphitheater. Heute, sagte Mojsch, sehen die Chawerim mehr Aufführungen pro Jahr als irgendein Städter. Der Spruch »Es ist nicht mehr so wie früher« wurde immer wieder befriedigt angeführt, wenn Aharon auffiel, daß sich etwas

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