Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
Vordergrund des Bildes und spielte Querflöte, eine stand hinter der Flötistin und spielte Laute, und die dritte hielt ein aufgeschlagenes, in Leder gebundenes Notenbuch in der Hand.
Auf einem schmalen Bett, über das ein schwarzes Tuch geworfen war, türmten sich Partituren. Einige waren aufgeschlagen und mit Anmerkungen und Notizen versehen. Michael sah einen vergilbten Einband – Vivaldi.
»Hat er Vivaldi gemocht?« fragte er. Und Isi, der sich auf den runden schwarzen Klavierhocker setzte, nickte. »Vivaldi, Corelli, Barockmusik überhaupt. Auch Bach. Hätte man ihm die Wahl gelassen, hätte er es vorgezogen, zur Zeit des Barocks zu leben, gegen Ausgang des 17. oder zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Ich habe ihm oft gesagt, daß für ihn die Musik wohl vor der Klassik zu Ende ging. Vielleicht wäre er auch bereit gewesen, sich mit der Klassik par excellence, vor allem mit Haydn und Mozart, auseinanderzusetzen. Wir machten uns gern darüber lustig, daß Beethoven und Brahms ihm zu modern waren. Aber all das war natürlich Unfug. Er konnte sich auch Brahms anhören, wenn er gut gespielt war, und Verdi, sogar Mahler.
Die beiden Männer aus dem Streifenwagen standen im Wohnzimmer und sahen sich um.
»Hier gibt es nicht viel«, sagte der mit dem vernarb ten Gesicht und dem wütenden Blick. »Wir fangen am besten dort an«, sagte der Dicke mit dem roten Gesicht, und sie bahnten sich einen Weg zu Gabis Arbeitszimmer, in dem ein Regal mit Noten, Heften und Büchern aufgebaut war.
»Alles, was hier ist, gehörte ihm«, bestätigte Isi. »Es war sein Arbeitszimmer, ich habe die Arbeitsecke im Wohnzimmer.« Der Mann mit den zornigen Augen sammelte die Notenhefte und die Bücher ein und leerte den Inhalt der Schreibtischschubladen in braune Kartons. Der schwit zende Dicke sammelte Fingerabdrücke, und ohne viel Aufhebens nahm er einen Abdruck von Isi, nachdem er ihm kurz erklärt hatte, man müsse zwischen ihm, der sich berechtigterweise in der Wohnung aufhielt, und anderen unterscheiden. Auf die Frage nach Ersatzsaiten zog Isi eine längliche Schachtel aus der Schublade und überreichte sie den beiden.
»Es ist ein neuer Satz«, erklärte er Michael, der mit dem Klebstreifen kämpfte, »es müssen vier Saiten darin sein.« Es waren vier.
Michael stand an der Tür zum Schlafzimmer und blickte leicht verlegen auf das Doppelbett. Das Zimmer sah ganz normal aus. Zwei Nachttische zu beiden Seiten des Betts. Auf dem Tischchen neben dem Fenster lagen ein paar Bücher neben einer Nachttischlampe, darunter ein dicker Band, eine Mozartbiograpie in englischer Sprache. Über der Biographie lag, aufgeschlagen und verkehrtherum, ein dickes Buch mit schwarzem Einband. Michael sah es sich an: Forschungsberichte und Photographien über die Entwicklung des Instrumentenbaus.
»War das seine Bettseite?« fragte er Isi, während er in den Büchern blätterte.
»Nein, es ist meine Seite«, antwortete Isi und verwies auf die andere Seite. »Dort ist seine Seite«, sagte er mit erstickter Stimme.
Auf Gabriel van Geldens Nachttisch stapelten sich englische Thriller, darunter eine gebundene Ausgabe von Robert Pierce' Krieg der neuen Art . Auf dem Boden lag ein Ta schenbuch, als sei es Gabriel beim Einschlafen aus den Hän den gefallen. Isi ging um das Bett herum und hob das Buch auf.
»Darin hat er gestern nacht gelesen«, sagte er und strich liebevoll über den Deckel. »Er hat Krimis geliebt. Vor allem Robert van Gulik, ein Holländer, der über China im sechsten Jahrhundert geschrieben hat.«
Michael hielt sich zurück, um Isi nicht daran zu hindern, das Buch oder die Oberfläche des Nachttischs, von dem er jetzt ein halbvolles Wasserglas nahm, zu berühren. Seine Fingerabdrücke waren ohnehin überall in diesem Raum. Die Leute von der Spurensicherung standen schon in der Schlafzimmertür, und Isi zeigte auf Gabriels Nachttisch, dessen Schubladen jetzt ebenfalls in schwarze Plastiksäcke geleert wurden, die die Männer vorsichtig in Kartons stapelten.
Isi ging aus dem Zimmer, und Michael folgte ihm ins Wohnzimmer. Dort schaltete Isi den Computer ab und setzte sich an den Schreibtisch. Er stützte seine Ellbogen auf die Fläche vor dem Bildschirm und verbarg erneut sein Gesicht in den Händen. Michael räusperte sich und sagte: »Sie werden mich jetzt zum Migrash Harussim begleiten müs sen, um Ihre Aussage zu machen.«
»Meine Aussage worüber? Was soll ich noch aussagen?«
»So nennt man es«, erklärte Michael, »es ist die
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