Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
leicht würde er sich nicht mehr oft an dem Mund, der auf ein Fläschchen wartete, an dem jähen Lächeln und dem Ge ruch der Kleinen erfreuen können. Noch heute mittag, als er das Baby vom Konzertsaal nach Hause gebracht hatte, war die Kleine beim Trinken eingeschlafen. Er war lange bei ihr sitzen geblieben und hatte sie im Schlaf beobachtet. Er hatte den dichten Flaum betrachtet, der in den letzten Ta gen ein wenig dunkler geworden war, und sein Finger hatte sanft über die rosa Wange gestrichen. Bevor er das Haus verlassen hatte und zur Arbeit gefahren war, als die Kin derfrau geläutet hatte, war sie aufgewacht. Sie hatte auf dem Bauch gelegen, den Kopf gehoben und sich umgesehen, bis ihr Blick auf sein Gesicht gefallen war. Als er sie in die Wippe legte und den kleinen Hasen aufhängte, von dem er meinte, daß sie ihn mochte, neigte sich ihr Kopf zur Seite, und sie zeigte ein Lächeln, in dem er einen gewissen Stolz zu erkennen glaubte, und das ein begeistertes Jubeln der Kinderfrau ausgelöst hatte.
Er sah Eli Bachar beschwörend an. »Steh mir in dieser Sache bei. Gib mir ein wenig ...«
Eli Bachar wurde verlegen, er senkte den Blick, preßte die Lippen zusammen und schwieg.
»Es ist schwierig. Kompliziert und heikel. Ich behaupte ja gar nicht, daß es das nicht ist«, hörte Michael sich sagen. Es lag etwas Unaufrichtiges in seinen Worten, aber er wußte selbst nicht, warum er so redete und wieviel er Eli Bachar anvertrauen wollte. Er wußte nicht mehr, was richtig und was falsch war. Er war völlig durcheinander. »Wie in einer Waschmaschine«, sagte er schließlich.
»Was ist wie in einer Waschmaschine? « fragte Eli Bachar. »Von was für einer Waschmaschine redest du?«
»Mein Kopf, meine Gedanken drehen sich wie in einer Waschmaschine. Sie hält keine Minute inne ... Sie dreht sich ununterbrochen. Und alles wird ständig durcheinandergeschüttelt, ich weiß nicht ...«
»Gut. Okay, belassen wir es erst mal dabei«, sagte Eli Bachar versöhnlich. »Aber du wirst doch bald mit Schorer sprechen?«
Michael nickte.
»Und Balilati, wenn Balilati die Sache in die Hand genommen hat, kann ich Rafi nicht mit einbeziehen. Selbst wenn ... Ich selbst habe auch keinen besonders guten Draht zu ihm. Ich weiß nicht, was rauskommt. Er ist kein einfacher Mensch. Du weißt es ja selbst ...«
»Abwarten. Warten wir ab bis morgen. Komm, wir befreien diesen Isi von Sipo. Kannst du mir mal verraten, wieso ausgerechnet Sipo hier ist?«
»Er tut mir leid, wie er so kopflos hier herumläuft. Er ist kurz vor der Pensionierung, und er hat nichts mehr zu tun und sucht überall nach einem Publikum für seine Geschichten. Jetzt, wo wir zusammenarbeiten, kann er mir seine Anekdoten über Jerusalem erzählen. Wie es früher war. Von den Verrückten von Jerusalem. Als du gekommen bist, hat er mir von einer Geisteskranken erzählt, der Tante von Rabbi Lewinger, die früher im Stadtzentrum herumgeirrt ist und den Leuten Abzeichen an die Brust geheftet hat. Sie glaubte, daß Buddha, Jesus und Moses und Mohammed alle ein und dieselbe Person waren. Ich erinnere mich an die Geschichten meines Onkels, und nun erzählt er mir wieder solche Sachen. Weißt du, daß er ein Buch über die Wahnsinnigen dieser Stadt schreiben will? Er hat einiges dazu zu sagen! Wir werden doch sicher eine Beschäftigung für ihn finden. Schick ihn mit dem Pflaster los.«
Sipo fuhr mit den Beweisstücken zum Labor der Spuren sicherung in der Polizeizentrale. Michael ging zurück in sein Büro und setzte sich vor Isi an seinen Schreibtisch. Eli Bachar zog den Stuhl, der bei der Tür stand, heran.
»Sind Sie immer noch sicher, daß Sie einverstanden sind?« fragte Michael.
»Ich habe doch schon eingewilligt«, antwortete Isi ungeduldig.
»Dann muß ich Ihnen nur erklären, wie es funktioniert. Sind Sie schon einmal an einen Lügendetektor angeschlossen worden?«
»Ich?« erschrak Isi. »Ich war noch nie auf einem Polizei revier, bis auf ein einziges Mal, um eine Anzeige wegen eines Kassettenrecorders zu machen, der mir aus dem Auto gestohlen wurde.«
»Es gibt zwei Methoden«, erklärte Michael, »eine davon wenden wir nicht an.«
Er sah aus den Augenwinkeln, wie Eli Bachars Mund auf- und zuging. Ein Ausdruck des Protests erstarrte auf seinem Gesicht, als Michael fortfuhr: »Diese Methode hat versagt. Sie enthielt Fangfragen. Fragen, die ...« Er zauderte, fühlte die Wellen des Widerstandes, die aus Elis Richtung kamen, der dagegen war, einen
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