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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Beruhigungsmittels, das die Ärztin ihr verabreicht hat. Wenn es so weitergeht, müssen wir einen Arzt rufen. Sie scheint mir kurz vorm Durchdrehen zu sein. Ich dachte daran, Elro'i um Hilfe zu bitten.«
    »Was ist mit den Saiten?« fragte Michael. »Alles andere kann warten.«
    »Das ist es ja.« Balilati musterte die Fliese. »Sie kann sich an nichts erinnern, und ihr Bruder behauptet, er weiß von nichts. Sie ist nicht gesprächig. Theo – ist da ganz anders. Mit ihm kann man reden«, faßte er zufrieden zusammen. »Man kann sein Mundwerk nicht abstellen. Versuch du mal dein Glück, nur Vorgespräche, Basisgespräche, dann setzen wir uns zusammen.«
    »Gehst du davon aus, daß es sich in beiden Fällen um ein und denselben Täter handelt?« fragte Michael.
    »Was, du meinst zwei verschiedene Menschen könnten zufällig in solch einer Zeitspanne aus einer Familie gleich zwei um die Ecke bringen? Hör auf damit«, winkte Balilati ab und wollte wissen, was Isis Vernehmung ergeben hatte. In diesem Moment ging die Schlafzimmertür auf, und Dalit stand im Eingang, eine hagere Gestalt in Jeanshosen, die die Arme unter einer kleinen Brust verschränkte und sich in der Pose eines Kinostars gegen den Türpfosten lehnte.
    »Ja?« fragte Michael.
    »Ich dachte, daß Sie mich auf den neusten Stand bringen wollen«, sagte sie in einer Mischung aus energischer Heiterkeit und Verletztheit und ließ ihre Hand verwirrt durch ihr helles, kurzgeschnittenes Haar gleiten.
    »Bald«, sagte Balilati. »Vielleicht kümmerst du dich inzwischen um eine neue Runde Kaffee.«
    »Ihr Baby ist wach«, verkündete sie mit einem gezwungenen Lächeln.
    »Ich muß der Kleinen ein Fläschchen machen«, sagte Michael. »Komm mit in die Küche, wir reden dort wei ter.«
    »Ich habe schon alles vorbereitet«, sagte Dalit, »zwei Fläschchen.«
    Michael fragte, woher sie in ihrem Alter wußte, wie man ein Fläschchen zubereitete. »Nita hat es mir erklärt«, sagte sie.
    »Ich weiß nicht, was wir ohne sie getan hätten«, sagte Ba lilati anerkennend. »Dieses Weibsstück ist ein Engel.«
     
    »Wir haben ein Au-Pair-Mädchen«, sagte Michael bei seinem Versuch, Nita zu trösten. Er saß mit ihr hinter geschlossener Tür auf dem Doppelbett in ihrem Schlafzimmer und streichelte ihre Hand. Es war das erste Mal nach der Entdeckung der Leiche, daß die beiden allein waren. Als sie schließlich etwas sagte, war ihre Stimme heiser, als ob sie stundenlang ununterbrochen geschrien hätte. Sie flüsterte und starrte auf einen Punkt auf dem hellblauen Bettvor leger. Das erste, was er von ihr hörte, war: »Es ist wie ein permanenter Horror, wie der Alptraum, von dem ich nachts immer wieder aus dem Schlaf geschreckt bin. Es ist, als ob er Wirklichkeit geworden ist.«
    Er verstand nicht, wovon sie sprach, und schwieg. Sie nestelte mit ihrer freien Hand an der Spitze des Bettüberwurfs und hob die Augen nicht von dem kleinen Teppich. »Weißt du, was im ersten Moment das Schlimmste für mich war?« fragte sie, und er schüttelte den Kopf. Sie hob den Blick und sah prüfend in sein Gesicht, als wolle sie sich vergewissern, ob er auch meinte, was er sagte. Und bevor sie erneut ihre Augen auf den Bettvorleger heftete, warnte sie: »Es ist furchtbar, was ich dir zu sagen habe, mußt du wissen.« Er verstärkte den Druck auf ihre Hand. »Ich habe es dir bis jetzt verheimlicht. Ich konnte es dir einfach nicht sagen. Ich fand dafür keine Worte. Jetzt habe ich sie. Seit Monaten, wahrhaftig seit Monaten, jeden Tag, fast jede Stunde und manchmal Minute für Minute, vor allem bis zur Geburt von Ido, aber auch danach, hat mich ... hat mich ein Bild verfolgt, ein immer wiederkehrender Alptraum, eine Art Horrorvision, die mich nicht losließ, nicht im Schlaf, und auch nicht, wenn ich wach war. Als ob ich einen Film sehen würde. Es hat mich ständig verfolgt.«
    Sie wurde still. Ihre Hand war kühl und feucht. Er bewegte sich nicht. Sie schwieg ein paar Sekunden lang, bevor sie sagte: »Das Bild meines abgehackten Kopfes. Ich sehe mich mit einer Saite, die ich an ihren beiden Enden halte. Ich lege sie auf die obere Hautfalte meines Halses und ziehe mit aller Kraft zu. Dann sehe ich, wie meine Kehle durchgeschnitten wird. Es ist, als ob ich mich zweifach sehe. Einmal als diejenige, deren Kopf abgetrennt wird, und dann als die, die köpft. Und wie das Blut zu fließen beginnt, ganze Flüsse, Bäche, und mein Kopf fällt ...« Sie unterdrückte ein Schluchzen und verstummte.

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