Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
Kraft oder Zeit. Es reicht eine Minute«, rief Eli Bachar in Erinnerung. »Mit seinem Emphysem reichte eine Minute Druck mit dem Kissen. Ein Kind wäre dazu in der Lage und auf jeden Fall eine Frau.«
»Ich frage mich die ganze Zeit, warum man ihn töten mußte, wenn man an das Bild kommen wollte. Es wäre viel einfacher gewesen, das Bild zu stehlen, wenn er nicht zu Hause war«, sagte Michael, und Balilati nickte kauend und rutschte auf seinem Stuhl hin und her. Er bemerkte, daß Felix van Gelden eine Expertise des Bildes hatte anfertigen lassen und daß der Nachweis, daß das Bild ein Original war, mit Hilfe von Pigmenten und so weiter erbracht worden war, wobei er nebenbei eine Bemerkung über »den Stoff, den sie auf dem Bild von Botticelli gefunden haben« in die Runde warf. Dann sagte er mit gequälter Miene: »Gehen wir einmal davon aus, daß ein und derselbe Täter in beide Morde verwickelt ist.« Seine kleinen Augen verengten sich, als ob das Licht ihn störte.
»Die Verbindung zwischen beiden Fällen liegt nicht auf der Hand. Vielleicht hat Maschiach ja etwas mit dem Bild zu tun, vielleicht ist er in diese Sache verstrickt«, sagte Dalit hoffnungsvoll und fischte mit ihren dürren Fingern eine Scheibe Tomate und ein Stück Gurke aus dem Brötchen. Sie zeigte mit dem Kopf in Richtung des schmalen Flurs, in dem Isi Maschiach saß und auf seine Ex-Frau wartete, die ihm seinen Paß bringen sollte.
»Vor lauter Komplikationen und Verwicklungen«, sagte Balilati, »übersieht man die simplen Fragen wie: Wer hat etwas davon? Ich meine, auch schmutzige Dinge wie Geld. Wer hatte etwas davon? Wir haben Gabriels Testament noch nicht überprüft, falls er überhaupt eins hatte. Bald werden wir es wissen. Was jetzt schon feststeht ist, daß das, was in drei Teile geteilt werden sollte – das Haus in Rehavia, das Geschäft, was weiß ich –, nur noch durch zwei geteilt wird. Ich habe keine Ahnung, wovon sie ihren Lebensunterhalt bestreitet. Wovon lebt sie eigentlich?«
»Von Ersparnissen und von einer monatlichen Unterstützung ihres Vaters. Aber sie wird wieder unterrichten, auftreten und Aufnahmen machen«, antwortete Michael nüchtern, als frage man ihn nach einem geschichtlichen Datum.
»Und er hat ihr das Bild vererbt, das darf man nicht vergessen«, fügte Balilati hinzu. »Und er?«
»Wer?«
»Der Maestro.«
»Ach der, an deiner Stelle würde ich mir um den keine Sorgen machen. Er verdient sehr gut, es fehlt ihm an nichts. «
»Und er hat viele Frauen – und finanzielle Verpflichtungen. Mal sehen, was mit Isi Maschiach ist, wenn wir Gabriels Testament sehen, falls er ein Testament hinterlassen hat.«
»Eine halbe Million Dollar sind kein Mückendreck«, dachte Sipo laut. »Es muß bei der Sache auch um das Bild gehen.«
»Der Lügendetektor hat eindeutig gezeigt, daß Isi Maschiach nichts über das Bild weiß. Aber das bringt uns nicht weiter«, erwähnte Eli trocken.
»Ihr habt doch gesagt, daß die beiden Probleme hatten«, warf Zila ein. Die Falte über ihrer Oberlippe schien tiefer als gewöhnlich, als ob sie sich endgültig entschieden hätte, dort zu verweilen, und verlieh der Mundgegend Strenge und Härte.
»Damit werden wir uns noch beschäftigen müssen. Vielleicht noch an diesem Morgen«, murmelte Eli und sah Balilati an, als erwarte er einen neuen Ausbruch. Auch der vorherige Streit war durch ein Gespräch über die Krise in der Beziehung zwischen Gabriel und Isi Maschiach in den letzten Tagen entflammt. »Keine Krise«, hatte Balilati argu mentiert, »eine Bagatelle, irgendeine Belanglosigkeit, die ihr aufbläht, damit wir einen Verdächtigen haben.«
Eli hatte seine Wangen aufgeblasen und geräuschvoll die Luft ausgestoßen. Es hatte genügt, um Balilati aus der Fassung zu bringen und ihn zu Bemerkungen hinreißen zu lassen wie: »Gewöhn dich daran, daß ich hier die Ermittlungen leite, und ich arbeite ein wenig anders als der gnädige Herr«. Er hatte den Kopf in einer scharfen Bewegung Michael zugewandt, der in diesem Moment, vor der Kaffeepause, geschwiegen hatte.
»Was hier die Sache erschwert«, dachte Michael jetzt laut, nachdem er das Brötchen beiseite geschoben hatte und sich noch eine Zigarette anzündete, obwohl er gelobt hatte, sich zurückzuhalten, »ist diese Summe. Es fällt uns schwer, den Gedanken zu akzeptieren, daß das Bild, der Raub und so weiter nur ein Ablenkungsmanöver sein soll. Daß Felix van Gelden aus einem anderen Grund ermordet wurde.«
Balilati sah
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