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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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als er sich stottern hörte.
    »Auf jeden Fall«, sagte er entschieden, »habe ich gar keine Wahl. Die Kleine ist hier, und ich habe nicht einmal ein Fläschchen oder eine Windel, und ich dachte, Sie könnten mir weiterhelfen, weil ...« Er wies mit der Hand Richtung Baby.
    »Wie alt ist sie? Ich habe ein paar Fläschchen und genügend Milchpulver, denn ich habe angefangen zuzufüttern«, sagte sie, während sie in den hinteren Raum der Wohnung ging. Michael wartete, bis sie zurückkam, und verfolgte ihre Bewegungen, als sie auf einen runden Tisch in der Eßecke ein verpacktes Babyfläschchen und eine verschlossene Milch pulverdose stellte. Sie blieb stehen und wartete auf eine Antwort.
    »Fünf Wochen«, sagte Michael aus einem Instinkt heraus, der ihn anwies, keine runde Zahl zu nennen, hastig.
    »Das ist noch sehr klein«, erschrak die Frau. »Wie kann man ein Neugeborenes ohne ...«
    »Es ist etwas Unerwartetes passiert«, sagte Michael eilig und blinzelte. Diese Lüge könnte ein wirkliches Unglück nach sich ziehen. Wie damals, als er gelogen und behauptet hatte, Juwal wäre erkrankt, worauf noch am selben Abend die Windpocken bei ihm ausgebrochen waren. »Ich kann im Moment niemanden erreichen, sie sind alle unterwegs ... haben die Stadt verlassen ... und das Baby ist hier ... es schreit vor Hunger.«
    Wieder ging sie in das Hinterzimmer und brachte ein großes Paket Wegwerfwindeln, das sie neben das Fläschchen stellte. Sie legte einen Schnuller in einem Plastiktütchen daneben, blieb stehen und dachte einen Augenblick nach. Sie ging noch einmal los und kehrte nach einer Weile mit einem Stapel Babykleidern, einer Stoffwindel und einer runden Plastikdose, aus der ein duftendes feuchtes Papiertuch ragte, zurück. Sie deponierte alles auf dem Tisch und bohrte einen Finger in die Wange, während sie den Tisch musterte. Sie warf Michael einen kurzen Blick zu, als ob sie mit sich rang.
    »Er ist gerade mitten im Spiel eingeschlafen, kommen Sie, ich helfe Ihnen. Ich gehe mit Ihnen runter. Das erste Fläschchen ist nicht ganz einfach ...«
    »Nein, nein«, sagte Michael bestürzt. Er stellte sich ihren Gesichtsausdruck vor, wenn ihr Blick auf die Pappschachtel fallen würde. Vermutlich erriete sie dann alles. Er wußte, daß er nicht zugeben durfte, daß er die Kleine gefunden hatte. Man würde sie ihm zweifellos sofort wegnehmen.
    »Ich will Sie nicht länger belästigen. Nur meinetwegen sollen Sie Ihr Baby nicht allein lassen.«
    »Das ist gar kein Problem«, sagte sie freundlich und begann, die Kleider ruhig in eine Tüte zu füllen. »Ido ist gerade erst eingeschlafen. Er wird so schnell nicht wach werden. Es macht mir keine Umstände, einen Moment mit herunterzukommen.«
    Michael schielte auf den Laufstall, legte eine Hand auf ihren Arm und sagte: »Ich komme wieder, wenn ich Probleme habe.«
    Sie sah ihn zweifelnd und verständnislos an, kam ihm aber mit den Griffen des Windelpakets zu Hilfe. »Wo sind die Eltern des Babys? Es ist erst fünf Wochen alt, und sie las sen es so zurück?«
    »Ihre Mutter ... liegt im Krankenhaus. Eine Komplika tion nach der Geburt, und der Vater ... « Er dachte fieber haft nach, glotzte auf die Wand und stieß aus: »Er ... es gibt keinen Vater. Sie ist alleinerziehend.«
    Verständnis und Fürsorge erhellten ihr Gesicht. »Gut, kein Problem«, sagte sie. Ihre vollen, schmollenden Lippen, die ihrer Mundgegend einen verärgerten Ausdruck verlie hen hatten, gingen zu einem großzügigen Lächeln auseinander. »Wir werden den Feiertag mit ihr gut hinter uns bringen. Ich schlage noch einmal vor, daß Sie mir erlauben, Sie ein wenig zu unterstützen. Ido ist gerade erst knapp fünf Monate alt. Ich kenne mich noch bestens aus.« Plötzlich erschrak sie, denn es fiel ihr etwas ein. »Sie haben sie unten allein gelassen, sie schreit sicherlich gottserbärmlich. Warum holen Sie sie nicht hoch?« .
    »Nein, nein«, winkte Michael ab. Aus irgendeinem Grund war es ihm völlig klar. Die Frau mit der Kleinen zusammenzubringen würde bedeuten, das Baby zu verlieren. Die Frau strahlte nun mit diesem Lächeln, das ihre Erscheinung vollkommen veränderte. Die bedrückende Last verschwand aus ihrem Gesicht, und ihre hellen Augen wurden groß wie zwei Teiche und wiesen keinerlei Rötung mehr auf. Michael wußte nicht, warum er sich so sicher war. Er horchte nur auf eine panische innere Stimme, von der er meinte, sie noch nie in sich gehört zu haben und der er nach kam. Jeden Anflug einer logischen

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