Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
genommen hatte.
Michaels Herz war leer und seine Kehle ausgedörrt. Er wartete völlig gleichgültig auf sein Urteil.
»Du liebst sie, und du hast nicht genug Abstand von diesem Fall, das ist die ganze Geschichte«, sagte Schorer.
»Sie ist so klein und süß und so abhängig von mir«, ver suchte Michael zu erklären. »Wenn du sie sehen wür dest ...«
»Ich spreche von der Frau«, sagte Schorer und legte eine Hand auf Michaels Arm, »ich rede von Nita van Gel den.«
Michael wurde still. Er brachte nicht einmal belanglose Laute heraus. Die Welt begann sich zu drehen. Schorer schien verwirrt, unerwartet unausgeglichen. Woher sollte er wissen, ob Schorer recht hatte.
»Ich habe nicht die Absicht, von hier zur Tagesordnung überzugehen«, versicherte Schorer. »Das aus meiner Sicht einzig wirklich Erfreuliche an dieser Geschichte ist, daß du sie wirklich liebst. Es sieht für mich so aus, als ob du mit ihr einen Traum gelebt hast, den Traum von einer glücklichen Familie. Ich kenne dich.«
»Ich sorge mich um sie«, sagte Michael, »es berührt mich, was mit ihr geschieht. Aber die Hauptsache ist das Baby ...«
»Dieses Baby«, sagte Schorer streng, »mußt du vergessen. Das steht außer Frage.«
»Aber warum?!« Jetzt stellte Michael die volle Tasse auf den Boden und heftete den Blick auf Schorer. Ein bedrükkender Kloß begann sich in seiner Kehle zu formen, und er befürchtete, daß seine Augen feucht würden.
»Es ist nicht deins«, antwortete Schorer schlicht. »Kinder findet man nicht auf der Straße. So läuft die Welt nicht. Die ses Baby hat zwischen euch keinen Platz.«
»Aber es steht nicht zwischen uns! Zwischen uns ist noch nichts geschehen ... Du mußt mir glauben. Es ist so, wie ich es dir sage.«
»Ich glaube nur den Tatsachen. Beruhige dich. Aber selbst du«, sagte Schorer gelassen, »weißt nicht alles über dich selbst.«
Michael schwieg.
»Wie lange kennen wir uns? Sagen wir zwanzig Jahre. Du weißt, daß ich dich kenne. Ich habe über all deine Affären geschwiegen. Ich wußte immer, wann du mit wem liiert warst. Von all deinen Frauen, inklusive dieser verheirate ten Frau – sieben Jahre warst du mit ihr zusammen, nicht wahr? – mochte ich Awigail am liebsten. Sie hatte Mut, diese Awigail. Sie war zurückhaltend und charmant. Und dumm war sie auch nicht. Du hast mir nie gesagt, warum ihr euch getrennt habt, aber ich bin sicher, daß du sie nicht wirklich geliebt hast, sonst hättest du sie nicht gehen lassen. Vielleicht wolltest du sie lieben, ich weiß es nicht, aber du bist ja solch ein Romantiker, Gott behüte! Es hat nicht funktioniert. Warum eigentlich nicht?«
»Sie wollte keine Kinder. Auf gar keinen Fall. Sie wollte keine Kinder«, sagte Michael, »vielleicht war das der Grund. Ich glaube, es war der Grund. Sie hatte eine Menge Probleme wegen einer Hautkrankheit, die sie nicht in den Griff bekam. Alles mit ihr war kompliziert. Sie hat mir nicht vertraut. Sie konnte mir nicht vertrauen. Das sind keine Dinge, die man erklären kann. Da kommt viel zusammen. Ständige Enttäuschungen. Man konnte bei ihr keine Ruhe finden, auch nicht das Gefühl von Zweisamkeit oder Frieden. Vielleicht, wenn ich noch eine Zeitlang gewartet hätte ...«
»Du hast sie nicht genug geliebt«, bestimmte Schorer. »Manchmal sind die Dinge sehr einfach. Ich höre dich, wie du über diese Frau, diese Nita redest. Du bist ganz hin und weg von ihr. Es liegt auf der Hand.«
»Ich fühle es nicht«, sagte Michael verlegen. »Ich fühle nur, daß ich mich um sie sorge. Ich will einfach, daß sie wie der ins Leben zurückkehrt. Daß sie spielt. Du stellst dir nicht vor, wie talentiert sie ist. Ich will, daß sie wieder froh ist. Ich will nicht, daß jemand anderes sich grob in ihre Angelegenheiten mischt ... Ich möchte es einfach nicht. Bevor es passiert ist, hatte ich das Gefühl, sie glücklich machen zu können. Wir hatten es auf eine behutsame Weise gut miteinander.«
»Gut, so geht es nicht«, seufzte Schorer. »Du mußt auf das Baby verzichten und aus dem Fall aussteigen. Denn hyp notisiert oder nicht, sie ist und bleibt eine Verdächtige, bis wir etwas Gegenteiliges herausgefunden haben. Vernimmt Balilati sie?«
»Warum sollte ich auf das Baby verzichten?« flüsterte Michael. Etwas in der völligen Erstarrung, die er verspürte, begann zu schmelzen und machte einem Anflug von Zorn und Auflehnung Platz.
»Noch mal, man findet keine Kinder auf der Straße. Wir lassen einmal beiseite, daß du
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