Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
beruflich viel zu eingespannt bist, um dich ordnungsgemäß um das Kind zu kümmern. Wünschst du dir ein Kind? Warum nicht? Verliebe dich in eine Frau, dann kannst du ein Kind haben. Ich habe es dir schon lange gesagt. In der Weltordnung liegt eine gewisse Logik. Du magst sie leugnen, aber im natürlichen Ablauf der Dinge liegt eine gewisse Logik. Für ein Baby braucht man einen Vater und eine Mutter.«
»Nur weil ich ein Mann bin?« lehnte Michael sich auf.
»Ja. Wir sind hier nicht in Kalifornien und nicht in Hollywood. Hier ist das wahre Leben«, sagte Schorer, ohne zu lächeln. »Ich glaube, es gehören zwei dazu, um ein Kind großzuziehen, ein Vater und eine Mutter. Ich will damit nicht sagen«, plötzlich verflog die autoritäre Bestimmtheit, mit der er sprach, »daß die Umstände einen nicht manch mal dazu zwingen, Scheidung, Tod, solche Dinge. Aber ein Kind auf der Straße auflesen?! – Das nicht!«
»Was du sagst, entbehrt jeder Logik«, sagte Michael schroff. »Du hörst dich wie meine Großmutter an. Wie sollten deine Worte vor einer logischen Prüfung bestehen?«
»Was soll ich machen«, seufzte Schorer. »Wenn man hier zwei ganze Tage verbracht hat und all die Probleme sieht, wird man zu so einem Jammerlappen, zu einem, der weiß, daß man innerhalb von Minuten alles verlieren kann, die Tochter, die Enkelin, alles. Man ordnet die Dinge neu. Dann gibt es eben keine Logik!« trotzte er. »Oder, du verstehst meine Logik vielleicht nicht, die im Grunde häufig auch deine Logik ist, die ich oft nicht verstanden habe. Was soll ich sagen – wir haben die Rollen getauscht.«
»Und wenn – ich meine nicht, was ich sage, aber nehmen wir einmal an –, wenn ich auf das Baby verzichte?«
»Was heißt wenn ? Du wirst darauf verzichten, denn Frau Maschiach wird dich dazu zwingen. Wenn es kein ›Wenn‹ mehr gibt, was ist dann deine Frage?«
»Woher kennst du Ruth Maschiach?«
»Wir lassen das jetzt. Wie lautet deine Frage?«
»Ich rede von dem Fall, diesem Fall.«
»Ob du weitermachen kannst?«
Michael nickte.
»So etwas hatten wir noch nicht. Wie siehst du selbst es? Du gehst mit ihr ins Bett ...«
»Ich habe nicht mit ihr geschlafen!« sagte Michael ver zweifelt. »Ich habe es dir doch gesagt, ich habe sie nicht ein mal berührt ...«
»Gut, in Ordnung«, beruhigte ihn Schorer. »Dann nehmen wir an, du sitzt am Nachmittag mit ihr als ihr Freund zusammen. Du hältst ihr die Hand, spielst mit ihrem Kind, oder was auch immer, du willst, daß sie lebt, daß sie glücklich wird und so weiter, und dann verhörst du sie in deinem Büro? Mit Balilati? Wie siehst du es selbst? Wie stellst du dir das vor? Erkläre es mir. Ich mache dir keine Probleme mit dem, was gewesen ist. Aber ich verlange eine Erklärung darüber, wie es in Zukunft weitergeht. Solch eine Ermittlung kann sich über Wochen und Monate hinziehen, wer kann es wissen?!«
»Es gibt eine Lösung, ich werde mich auf andere Punkte konzentrieren«, murmelte Michael. »Ich muß es herausfinden«, hörte er sich mit heiserer Stimme sagen. »Ich muß genau wissen, was geschehen ist.«
»Ja, das mußt du«, seufzte Schorer. »Und auch mir tut es leid. Wenn ich dich schon einmal von einer Frau so reden höre, wie du noch über keine andere gesprochen hast. Sag mir, wie es funktionieren könnte.«
»Ich werde mich von ihr fernhalten, bis der Fall gelöst ist«, bestimmte Michael. Er hörte selbst den Tonfall eines trotzigen Kindes, das mit erregter Stimme versprach: »Keinerlei persönlicher Kontakt.« Eine zweifelnde Stimme meldete sich in seinem Inneren zu Wort: Bist du sicher? fragte sie beinahe spöttisch. Sei einmal ernst, sagte sie. Wie soll das gehen? Du wirst in Kauf nehmen müssen, daß sie verletzt ist. Du wirst damit leben müssen, daß sie dich haßt. Du wirst es ihr nicht einmal erklären können.
Schorer sah ihn prüfend an: »Wie willst du das machen? Du wohnst unter ihr. Nehmen wir an, es würde das Problem lösen. Wie willst du es praktisch durchführen?«
Michael neigte den Kopf. Auch er wußte nicht genau, wie und ob er es durchziehen konnte. Auch nicht, was ihn dräng te, weiter bei den Ermittlungen mitzuarbeiten. Er sah Schorer an, sehnte sich beinahe danach zu sagen, daß er es nicht wußte und daß er ihn um Hilfe bat. Aber der Wunsch, Zurückhaltung zu bewahren, seine Unsicherheit und seine Verlegenheit zu verbergen, war stärker. Wenn Schorer fragen würde, warum er für die Arbeit an dem Fall bereit war, auf Nita zu
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