Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
über die Abhängigkeit Balilatis von ihr. »Ja«, sagte Balilati mit feierlichem Ernst, beinahe mit Selbstzufriedenheit. »Dalit erinnert mich gerade zu Recht an die Sache mit Rechtsanwalt Mejuchas. Seit gestern versuchen wir ihn zu erreichen. Er macht Urlaub. Keiner weiß etwas Genaues. Wir versuchen herauszufinden, worum es bei dem Streit zwischen dem alten van Gelden und Herzl ging«, erklärte er Schorer. »Morgen kommt er zurück, dann sehen wir klarer. Aber die Kanadierin haben wir aufgetrieben. Unser Kontaktmann in New York hat sie befragt. Dalit hat mit ihm gesprochen.«
»Um was für eine Kanadierin geht es?« fragte Schorer.
»Die, die mit Theo van Gelden am Tag des Konzerts zusammen war. Als das Bild gestohlen wurde. Er war ja mit zweien zusammen«, seufzte Balilati. »Am selben Nachmittag vor einem Konzert am Abend. Es gibt Menschen, die sind nicht totzukriegen. Was soll man da sagen. Alles an einem Tag! Und jetzt hat er ein lückenloses Alibi.«
»Man darf die Bewachung von Frau van Gelden nicht aussetzen«, sagte Schorer. »Ist zur Zeit jemand bei ihr?«
»Nur eine Kinderfrau, der Polizist vor der Tür und ihr Bruder«, sagte Zila.
»Sie haben vor, nach Zikhron Yaakov zu fahren«, brachte Eli Bachar in Erinnerung.
»Dieses ›unbewußte Wissen‹ gefällt mir nicht. Es ist gefährlich. Wir wollen nicht noch eine Leiche«, bemerkte Schorer.
»Notiert«, sagte Balilati und verzog das Gesicht.
»Seid ihr in der Sache der Noten, über die Herzl sprach, nicht weitergekommen? Die Melodie muß ein Experte sich anhören«, sagte Michael unerwartet.
»Was meinst du?« wunderte sich Balilati.
»Das Stück, das Herzl Theo im Krankenhaus vorgesungen hat, müssen wir einem Musiker vorspielen«, sagte Michael.
»Genau«, sagte Balilati, »schreibe es auf, Dalit. Hast du es notiert? Denkst du an etwas Bestimmtes, Michael?«
»Nun, der wichtigste Teil des Gesprächs hat sich um diese Noten gedreht, und wir wissen nicht einmal, um welche Noten es sich handelt. Wir müssen einen Musiker heranziehen. Frag Nita oder Theo, ohne ihnen zu sagen, worum es geht ...«
»Für wen hältst du mich?« sagte Balilati beleidigt und warf einen raschen Blick auf Sipo, der sein Gesicht mit den Händen bedeckt hielt. »Ich habe sie auf Umwegen gefragt, sowohl Nita als auch nochmals Theo. Und wenn wir schon davon sprechen«, sagte er unvermittelt, »du fährst doch an einen Ort, an dem es von Musikern nur so wimmelt. Warum nimmst du die Kassette nicht einfach mit? Dalit macht eine Kopie.«
»Ich habe sie schon gemacht«, sagte Dalit.
»Wunderbar«, bemerkte Balilati. »Gib ihm die Kopie, er wird sie diesen Genies vorspielen, die nach ein paar Tönen erkennen, was das ist. Vielleicht haben wir ja wieder einen Fall, bei dem eine ganze Geschichte am Bruchstück eines Satzes hängt«, winkte er ab.
»Ich muß los«, sagte Michael und nahm die Kassette an sich, die Dalit, ohne ihn anzusehen, vor ihn gelegt hatte. »Man läßt keine sechsundachtzigjährige Dame warten.«
»Gentleman bleibt Gentleman«, bestätigte Sipo.
»Ich brauche einen Kassettenrecorder«, warf Michael ein, »mit frischen Batterien.«
»Sipo kann Theo und Nita van Gelden nach Zikhron Yaakov bringen«, bemerkte Balilati. »Ich hatte zwar die Absicht, Zila zu schicken, aber nach dieser Nacht ist sie zu müde.«
»Sipo war auch die ganze Nacht wach. Eli fährt«, sagte Michael bestimmt, als ihm einfiel, daß er hier nicht die Ermittlungen leitete. »Im Grunde brauchen wir nur einen Fahrer«, entschuldigte er sich und bemerkte, wie Elis Gesicht, das sich für einen Moment erhellt hatte, wieder finster wurde.
»Ich kann fahren«, versicherte Sipo beleidigt.
»Es gibt hier alle Hände voll zu tun. Warum wollen Sie die Fahrt nach Zikhron Yaakov auf sich nehmen«, ver suchte Michael einzulenken.
»Mir macht es nichts aus, nach Zikhron Yaakov zu fahren. Die Fahrt dauert nicht länger als zwei Stunden. Als meine Großmutter noch lebte, habe ich den Weg, nicht genau nach Zikhron, aber nach Hadera, alle zwei Tage zurückgelegt. Unter viel schlechteren Bedingungen.«
»Wie Sie wollen«, sagte Michael und sah, wie Eli den Kopf einzog. »Ich dachte, Eli könnte auf dem Rückweg in der Pathologie vorbeischauen und die Papiere hinbringen«, erklärte Michael. »Denk darüber nach«, sagte er zu Balilati. »Ich muß los.«
In diesem Moment stand Schorers Sekretärin in der Tür. »Isi Maschiach bittet um ein Gespräch mit Kommissar Ochajon«, sagte sie zu Balilati.
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