Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
»Er hat vergeblich versucht, Sie zu erreichen. Er hat etwas Dringendes zu sagen.«
»Du mußt dein Handy einschalten«, sagte Balilati vorwurfsvoll, »wie soll ich dich sonst erreichen? Erzähl mir nicht, daß du allergisch dagegen bist. Bei der Arbeit kann man keine Rücksicht auf diese Marotten nehmen.«
Michael verließ den Sitzungssaal und folgte Schorers Sekretärin. Sein Blick war auf ihre kleinen Schritte geheftet. Wie eine kleine Chinesin mit Lotusfüßen trippelte sie in einem sehr engen Rock, und ihre starken Beine schwankten auf hohen, dünnen Absätzen.
Vor der Tür des geräumigen Büros blieb sie stehen und sah ihn mit mütterlicher Zuneigung an. »Sie sehen nicht gut aus«, bemerkte sie, »ist alles in Ordnung?«
»Ich glaube schon«, sagte er und brachte angestrengt ein Lächeln zustande. »Es wird vorbeigehen, alles wird vorbeigehen«, versprach er. Als er spürte, daß sie eine Erklärung erwartete und ein völliges Ignorieren sie verletzen würde, sagte er: »Ich mache schwere Zeiten durch.« Er hob den Hörer ab. »Kann ich etwas für Sie tun?« fragte sie, bevor sie das Zimmer mit betonter Diskretion verließ. Er legte die Hand auf den Hörer und versuchte einen dankbaren Blick aufzusetzen, als er sagte: »Danke, nicht daß ich wüßte.« Sie nickte mit völliger Ernsthaftigkeit, ohne die Ironie zu erkennen, die in seinen Worten lag. Er hatte das Gefühl, sie deklamierten einen Dialog aus einem Kitschroman. »Sagen Sie mir, wenn ich etwas für Sie tun kann. Ich würde mich freuen, wenn ich Ihnen helfen könnte«, meinte sie zum Schluß und verließ den Raum.
»Ich muß über ein paar Dinge mit Ihnen sprechen«, sagte Isi Maschiach mit schnellem, pfeifendem Atem, als ringe er nach Luft. »Es gibt da ein paar Sachen, die mich quälen. Sie sagten, wenn es notwendig wäre, könnte ich mich an Sie wenden ...«
»Natürlich«, versicherte Michael. Er fragte sich, ob Isi Maschiach festgestellt hatte, daß er beschattet wurde, ob er den getarnten Streifenwagen, der vor seiner Wohnung parkte, oder das Abhören seines Telefons entdeckt hatte. Michael sah auf das Lämpchen. Das Gespräch wurde aufgenommen.
»Jetzt? Am Telefon?«
»Auf keinen Fall!« sagte Isi Maschiach. »Es geht um eine delikate Angelegenheit.«
»Ist es dringend?« fragte Michael und sah auf seine Uhr. »Ich weiß nicht, wie wichtig es für Sie ist«, sagte Isi Maschiach unglücklich. »Mir scheint, es ist dringend.«
»Geht es um den Schlüssel?« riet Michael.
»Was für einen Schlüssel?«
»Den Schlüssel für die Wohnung von Herzl Cohen, der in der Wohnung von Felix van Gelden hing.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.« Isi schnappte nach Luft, und sein Atem wurde noch schwerfälliger. Das Pfeifen häufte sich.
»Der Schlüssel, den die Wachtmeisterin Dalit bei Ihnen gefunden hat«, versuchte es Michael.
»Was für eine Wachtmeisterin?« erschrak Isi. »Ich kenne keine Wachtmeisterin Dalit.
»Die Polizistin, die gestern nacht mit Ihnen gesprochen hat«, sagte Michael ungeduldig. »Haben Sie nicht mit einer Polizistin mit Namen Dalit über den Schlüssel zu Herzls Wohnung gesprochen?«
»Ich kenne keine Dalit«, sagte Isi Maschiach flehend. »Ich weiß nicht, von wem Sie sprechen.«
»Gut, dann vergessen Sie es. Aber was ist mit dem Schlüs sel?«
»Was für ein Schlüssel? Ich weiß nichts von einem Schlüssel. « Isi hustete verschleimt, bekam kaum Luft und ent schuldigte sich.
»Ganz ruhig«, sagte Michael mit der Ruhe, die er über seine Stimme herrschen ließ. »War gestern nacht jemand von der Polizei bei Ihnen?«
»Gestern nacht war niemand bei mir«, versicherte Isi Maschiach.
»Sind Sie sicher?«
»Natürlich bin ich sicher!« schrie er. »Ich bin fast durchgedreht. Aber nicht auf diese Art«, sagte er verbittert.
»Okay, worüber wollten Sie dann mit mir sprechen?«
Das Rasseln in Isi Maschiachs Atemzügen legte sich ein wenig, als er sagte: »Über verschiedene Dinge, aber nicht am Telefon.«
»Kann es bis heute abend warten?«
»Natürlich«, seufzte Isi Maschiach, »es wäre allerdings besser, wenn es jetzt gleich ginge.«
»Im Moment geht es auf keinen Fall«, erklärte Michael, als spreche er mit einem Kind. »Kann jemand anderes an meiner Stelle mit Ihnen reden?«
»Ich ziehe es vor, mit Ihnen zu sprechen, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Gabi hat Sie sehr geschätzt, und mir ist es angenehmer, wenn Sie es sind. Wenn es erst heute abend geht, dann eben heute abend.«
»Es wird spät
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