Ochajon 04 - Das Lied der Koenige
Lächeln huschte über ihre Lippen.
»Wie lange trauern Sie ihm nun schon nach? Mehr als ein Jahr? Reicht Ihnen das noch nicht? Man könnte sagen, Sie haben mehr als genug getrauert, nun fängt das Leben wie der an. Wenn Sie erst wieder begonnen haben zu leben, wer den Sie die Dinge wieder ins rechte Licht rücken und nicht so kritisch mit sich sein.« Er machte eine Pause. »Ich möchte Ihnen auch sagen, daß ...« Sie sah ihn erwartend an. »Vielleicht ist es auch besser, wenn ich es lasse«, rang er mit sich.
»Sagen Sie es!«
»Ich kenne zwar keine Einzelheiten, aber Sie müssen wis sen, daß ich ähnliche Geschichten schon häufig mitbekommen habe.«
Sie straffte sich.
»Was meinen Sie damit?«
»Daß Menschen, das heißt vor allem Frauen, denn Män ner reden nicht so offen darüber, über eine verflossene Liebe weinten. Sie dachten alle, ihr Leben sei vorüber und sie hätten nichts mehr zu erwarten. Und schon nach relativ kurzer Zeit war das Ganze nicht mehr relevant. An ihre gebrochenen Herzen habe ich wahrscheinlich länger gedacht als sie selbst. Das hat mich zu einer äußert ironischen Einstellung gegenüber gebrochenen Herzen geführt. Außerdem schadet auch ein wenig Fatalismus nichts: Wenn es so gekommen ist, ist der Beweis erbracht, daß er nicht der Richtige war. Er scheint mir Ihnen eh nicht angemessen gewesen zu sein, verzeihen Sie, wenn ich das sage.«
»Meinen Sie wirklich? Es ist immer die gleiche Geschichte?« Sie schien verbittert. »Und was ist mit der Callas«, konterte sie.
»Was für eine Callas? Die Callas? Wie kommen Sie darauf ... Was hat sie damit zu tun?«
»Kennen Sie ihre Geschichte nicht?« fragte sie enttäuscht. »Wissen Sie nicht, wie sehr sie eine Null liebte? Einen Milliardär, aber eine totale Null? Diesen Onassis, der in der Oper eingeschlafen ist, wenn sie sang. Können Sie sich das vorstellen? « Skeptisch fügte sie hinzu: »Haben Sie sie je singen hören?«
Er nickte.
»Ich frage Sie, kann man einschlafen, wenn sie singt?!«
Er schüttelte entschieden den Kopf. Sie sah ihn weiter prüfend an. »Man kann es nicht«, sagte er schließlich und überwand seinen Unmut über ihre Art, ihm seine Antwor ten vorzugeben. Denn dadurch verloren seine Worte jegliche Bedeutung. »Ich jedenfalls könnte es nicht.«
»Was haben Sie von ihr gehört?«
Er überwand auch den Wunsch, sich dem Test zu widersetzen. »Einiges. ›Norma‹, ›La Traviata‹. Wie kommen Sie in diesem Zusammenhang überhaupt auf sie?«
»Sie ist schwanger geworden, als sie schon ziemlich alt war. Sie wollte das Kind so sehr, aber er hat von ihr verlangt, daß sie es abtreiben ließ. Sie tat, was er forderte, damit er bei ihr blieb. Später hat er sie trotzdem verlassen. Wegen Jacqueline Kennedy. Sie ist allein geblieben, eine gebrochene Frau, und dann ist sie an gebrochenem Herzen gestorben. Genau so war es. Man kann aus Liebe sterben, müssen Sie wissen.«
»Ich habe nicht gesagt, daß man es nicht kann«, verteidigte er sich.
»Das gibt es nicht nur in Büchern und Filmen.«
»Aber die Callas hatte kein Kind. Sie hat abgetrieben. Es war ihre Entscheidung. Das ist kein belangloser Akt, sondern ein tragischer Schritt. Sie haben es nicht getan. Vielleicht sind Sie doch nicht die Callas. Es tut mir leid, daß ich das sagen muß.«
»Aber wie oft kann es im Leben eines Menschen passieren?«
»Was? Daß man sich verliebt? Daß man jemandem bedingungslos vertraut? Daß man einem begegnet, der einem in die Auge schaut und behauptet, nicht mehr ohne einen leben zu können? Es kommt darauf an.«
»So habe ich es nicht gemeint.«
»Ich kenne Sie nicht«, sagte er vorsichtig, »ich habe nur gehört, wie Sie spielen, und habe gesehen, wie Sie mit Ihrem Baby umgehen. Sie spielen so schön, wirklich, so wunderbar ... Wie können Sie daran zweifeln, sich wieder verlieben zu können? Daß Sie wieder an den Falschen geraten könnten, war das Ihre Frage? Es wäre möglich.« Er streckte die Beine aus und legte die Hand unter das Kinn.
»Wovon sprechen Sie?!« Sie war gekränkt. »Ich ... nein auf keinen Fall ...«
Er lächelte. »Dann ist das der Punkt«, sagte er, während er die Challascheibe in die Salatsoße tunkte. »Vielleicht quält Sie die Geschwindigkeit, mit der Sie scheinbar von der Sache loskommen, das heißt, wie schnell Sie ohne ihn zurechtkommen. Vielleicht sogar besser als mit ihm. Letztendlich war er verheiratet, es war ein Schattendasein, was soll man dazu sagen – es war eine ständige
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