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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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zu schmutzig«, sagte sie nüchtern und gefaßt. Sie trug das Geschirr und den Salat ins Wohnzimmer. Er folgte ihr, wartete, bis sie Platz genommen hatte, und ließ vorsichtig die Hälfte des Omeletts auf ihren Teller gleiten. Die Apfelschnitze, die nun völlig braun waren, schob er beiseite, um Platz für die Challa* zu schaffen, die er aufgeschnitten hatte. Bevor er selbst sich setzte, ging er ins Kinderzimmer und lugte in den Wagen. Das Baby lag reglos auf dem Rücken. Erschrocken beugte er sich vor und legte seine Wange nah an das Näschen. Erst als er den gleichmäßigen, stillen Atem auf seiner Haut spürte, kehrte er ins Wohnzimmer zurück.
    »Daran gewöhnt man sich nie«, sagte Nita, »die Angst, daß sie plötzlich sterben könnten, legt sich nie. Auch noch nach fünf Monaten prüft man, ob sie noch atmen, wenn es zu still ist.«
    »Ist das normal, daß sie so lange am Stück schläft? Ich kann mich nicht erinnern, daß mein Sohn in diesem Alter länger als eine Stunde zusammenhängend geschlafen hat.«
    »Es geht ihr anscheinend gut. Sie hat genug getrunken und ist zufrieden. Sie ist ein pflegeleichtes Kind.« Sie stierte auf den Teller, und mit einer langsamen, trägen Bewegung bohrte sie die Gabel in das Omelett.
    »Sie vertrauen einem uneingeschränkt. Aber auch sie kön nen ihrer Sache nicht immer sicher sein«, sagte Michael und dachte an die Pappschachtel. »Nur wenn sie Glück haben.«
    »Es geht nicht«, sagte sie mit erstickter Stimme und schob den Teller beiseite, »ich kriege nichts runter.«
    »Auch dafür müssen Sie sich entscheiden«, sagte Michael.
    »Alles macht mir angst und demütigt mich, alles tut weh«, sagte sie angewidert. Eine Träne kroch aus ihrem Augenwinkel in Richtung Nase. »Verzeihen Sie mir. Ich bin vermutlich gar nicht mehr in der Lage, mit Menschen zusammen zu sein. Menschen in meiner Situation sollten besser ins Kloster gehen, wo sie anderen nicht zur Last fallen.«
    »Nicht, wenn sie ein fünf Monate altes Baby haben, das ihnen sein vorbehaltloses Vertrauen entgegenbringt.«
    Sie lächelte, wischte sich die Augen und zog den Teller wieder zu sich. Er sah sie an und wußte längst, daß er es ihr sagen würde. Aber nicht an diesem Abend.
    »Wie lange ist es her?«
    »Seit wir uns getrennt haben? Es war gleich zu Beginn der Schwangerschaft. Rechnen Sie selbst nach!« Ihre Stimme brach sich. »Widerlich, wie ich rede. Ich triefe vor Selbstmitleid, unfähig, meinen Fehler und meine Dummheit zu akzeptieren.« Sie verstummte. Er aß ein Stück Käse.
    »Ich habe mir zuviel vorgemacht. Ich ließ mich täuschen. Ich habe an ihn geglaubt. Ich habe mich durch und durch in ihm geirrt«, sagte sie. »Können Sie sich das vorstellen? Er hat gesagt, er könne ohne mich nicht leben, und ich habe ihm geglaubt. Vielleicht haben sie mich falsch erzogen«, fragte sie sich nachdenklich.
    »Was für ein Kerl ist er? Ist er Politiker? Wer kann denn allen Ernstes so etwas aussprechen, von Vertretern und Verkäufern einmal abgesehen, und von Politikern. Ist er Politiker?
    »Er ist in der Versicherungsbranche«, sagte Nita und lachte schallend auf.
    »Ganz zu schweigen von jemandem, der solchen Beteuerungen glaubt und sie für bare Münze nimmt.« Er sah sie skeptisch an und schaufelte etwas von dem Gemüsesalat auf ihren Teller.
    Sie spießte einen kleinen Gurkenwürfel auf die Gabel. »Ich habe ihm geglaubt. Ich habe es Ihnen doch bereits gesagt ... Sie haben mich zu sehr verwöhnt«, wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen.
    »Es funktioniert meistens umgekehrt«, murmelte Michael. Wenn man ihm das Baby überließe, würde er es beweisen können, durchfuhr es ihn. Er würde der Kleinen wirklich etwas geben können ... »Vielleicht lagen die Dinge nicht ganz so, wie Sie sie darstellen«, dachte er laut. »Auf jeden Fall, wer musiziert wie Sie, hat keinen Grund, sich derart zu hassen und, verzeihen Sie mir, sich so zu bemitleiden. Glauben Sie nicht, daß Sie großes Glück haben? Mit solch einem Talent?« Sie sperrte den Mund auf, schloß ihn wieder, nickte und sagte: »Wenn man damit lebt, vergißt man, daß es etwas Besonderes ist. Es wird Teil von einem, man vergißt, daß es ...«
    »Sie geben ein Konzert. Wann genau?«
    »Das erste direkt nach Jom Kippur, das zweite am Laubhüttenfest.«
    »In zwei Wochen? Sie könnten sich in die Arbeit stürzen, und dann ist da ja auch noch das Kind. Die Welt ist voller Angebote, man muß sie nur wahrnehmen.«
    Sie nickte entschieden, und ein

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