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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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blauen Aschenbecher vor sich auf den Tisch, zündete sich eine Zigarette an und deutete auf den Platz an seiner Seite. Er hatte die Absicht, es ihr jetzt zu sagen, noch in diesem Augenblick, aber aus Idos Zimmer kam ein lautes Plärren. Die Kleine war aufgewacht, und ihr Kreischen war lauter als die Musik und weckte auch Ido.
    »Was machen Sie beruflich? « fragte sie, als beide mit den Kindern auf den Armen nebeneinander auf den Stühlen saßen.
    »Ich arbeitete bei der Polizei«, sagte er, ohne seine Augen von dem roten Mund zu lassen, der um den Nippel klebte. Während er das Baby beim Saugen beobachtete, spürte er plötzlich ein Kribbeln in der Brust. Es verwirrte ihn, und er horchte mit großer Aufmerksamkeit in seinen Körper, um herauszufinden, ob in ihm eine beängstigende Geschlechtsumwandlung stattfand, ein beunruhigender Anstieg des weiblichen Elements, von dem er gehört hatte, daß er bei Männern in der Lebensmitte anzutreffen war. Vielleicht waren es auch nur Ammenmärchen.
    Wie erwartet, war Nita von seiner lakonischen Antwort überrascht. Sie kannte bisher niemanden, der bei der Poli zei arbeitete. Sie hatte gedacht, daß dort alle ... sie suchte nach einem Wort und verstummte.
    »Vorurteile«, brummte er. Sie brachte Ido zurück ins Bett, und er legte die Kleine in den Kinderwagen. Es hat auch Zeit bis morgen, tröstete er sich, als er feststellte, daß es beinahe Mitternacht war.
    »Was machen Sie bei der Polizei?« fragte sie, als er unentschlossen neben dem Wagen stand.
    »Ich komme gerade von einem zweijährigen Bildungsurlaub zurück. Ich habe noch mal studiert.«
    »Was haben Sie studiert?«
    »Jura.«
    »Haben Sie das Studium etwa nach zwei Jahren abgeschlossen?«
    »Nein. Ich werde erst in ein oder zwei Jahren fertig werden. Ich studiere neben der Arbeit weiter.«
    »Und was machen Sie jetzt dort? Etwas, das mit Ihrem Studium zusammenhängt?«
    »Ich bin bei der Kriminalpolizei. Mordkommission«, beantwortete er die nächste zu erwartende Frage.
    »Eine verantwortungsvolle Tätigkeit, eine unheimliche«, sagte sie mit naiver Ehrfurcht. Ihre Augen weiteten sich.
    »Sehr verantwortungsvoll«, antwortete er. Sie sah ihn mit solchem Ernst an, daß er grinsen mußte. »Habt ihr Holländer keinen Humor?«
    Sie überlegte. »Nein. Ich weiß nichts über die Holländer, aber wo ich herkomme, kennt man keinen Humor. Bei uns zu Hause ging es sehr ironisch zu, wenn Sie das als Humor bezeichnen wollen.«
    »Die Ironie setzt einen Hang zur Komik voraus, zumindest eine kreative Intelligenz«, sagte er nach einer Bedenkzeit, »aber genaugenommen ...«
    »Ja?«
    »Es sind gegensätzliche Begriffe. Ironie und Humor. Ironie ist immer aggressiv. Sie muß es sein, weil sie im Grunde eine Schutzfunktion hat.«
    »Wenn das zutrifft, muß mein Vater ein äußerst aggressiver Mensch sein.«
    Michael schwieg. Der Moment schien ihm unpassend. Er schob den Kinderwagen hin und her. Das Baby lag mit geöffneten, milchigblauen Augen da und schnalzte mit der Zunge – es sah aus, als fixiere es ihn.
    »Sehen Sie nur, wie hübsch sie ist«, sagte Nita anerkennend, »und so brav.«
    »Beschreien Sie es nicht«, bat er und klopfte auf die Holz lehne des Sofas.
    »Sind Sie etwa abergläubisch? Bei aller Logik in Ihren Aussagen sind Sie abergläubisch?«
    »Ja«, gestand er, und im Tonfall der Frauen, an die er sich aus seinem Geburtsort erinnerte, fügte er hinzu: »Was will ich machen.« Er stand auf.
    »Gehen Sie noch nicht«, bat sie. »Bleiben Sie noch ein wenig. Wir könnten einen Kognak oder etwas anderes trinken.« Er setzte sich nicht wieder, machte aber auch keine Anstalten zu gehen. »Solange Sie hier sind, kommen die bösen Gedanken nicht zurück, um mich zu quälen«, erklärte sie mit gesenkten Augen. »Nur wenn Sie wollen, das heißt, wenn Sie nicht müde sind oder so ...«, stammelte sie.
    Das Baby schien zufrieden. Auch die Wohnung verströmte nun einen reinlichen Geruch. Es gab keinen Grund zur Eile. Bei einem Glas Kognak könnte er es ihr sagen. Wenn er es ihr gesagt hätte, würde er sich besser fühlen. Vielleicht. Es würde ihn erleichtern. Jetzt war er sich vollkommen sicher, auf jeden Fall bis zu dem Moment, in dem er sich wieder setzte und eine Zigarette anzündete. Wäh rend seine Augen an dem Getränk hingen, fing er wieder an zu zaudern. Er schaute sie an und stellte sich vor, wie sie bleich wurde, wie sie rot anlief, wie sie in Panik geriet, wie sie verlangen würde, sofort zu handeln, die Kleine

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