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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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fischte einen Gemüseschäler aus der untersten Schublade des Küchenschranks und ließ ihn mit raschen Bewegungen über die Gurke gleiten. »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Meine Geschichte ist banal. Ich habe einen Mann geliebt. Ich dachte, er liebt mich auch. Es stellte sich heraus, daß dem nicht so war. Ich wurde schwanger, er war verheiratet, alles geschah heimlich. Als ich schwanger wurde«, sie schluckte, räusperte sich und begann zu husten, »als ich schwanger wurde, hat er mich verlassen. Ich komme ganz einfach nicht darüber hinweg. Ich schaffe es nicht. Ich habe Ihnen gleich gesagt, daß es ziemlich banal ist. Ein Melodrama, ein indischer Liebesfilm, ein Dreigroschenroman.«
    »So läßt sich jede Beziehung beschreiben. Es ist völlig normal, daß Sie so verletzt sind. Nicht jeder kann sich das eingestehen.« Er scheuerte die Pfanne, die er vom Grund des Spülbeckens nach oben befördert hatte.
    »Ich wollte die Schwangerschaft nicht abbrechen, verstehen Sie das? Ich weiß nicht, warum ich Ihnen das alles erzähle. Es tut mir leid.«
    Er hob den Kopf vom Spülbecken. »Es freut mich, daß Sie so offen zu mir sind.«
    »Ich habe ein paar Jahre lang in einer Seifenblase gelebt, selbst in meinem Spiel habe ich nicht alles gegeben, was ich hätte geben können. Und dann – dann war das Kind da. Selbst als der Mann mich vor die Wahl stellte, konnte ich nicht auf das Kind verzichten, ich konnte es einfach nicht ... Ich wollte es sogar allein großziehen. Ich habe immer das getan, was andere für richtig hielten. Sie wissen schon, ein verwöhntes Nesthäkchen mit zwei großen Brüdern. Der Psychologe läßt grüßen.« Sie schnitt die Gurke in kleine Würfel.
    »Es klingt nach einer glücklichen Kindheit«, sagte Mi chael von seinem Platz am Herd. »Sie werden einen ande ren finden.«
    »Oder auch nicht«, sagte sie und sah ihn erwartungsvoll an.
    Er erwiderte lächelnd ihren Blick. Ihre vollen Lippen und der ernste, entschiedene Ton, mit dem sie ihm widersprach, obwohl sie auf eine Bestätigung wartete, hatten etwas Süßes. »Oder auch nicht«, bestätigte er.
    »Man kann auch ohne Liebe leben, das heißt ohne romantische Liebe«, erklärte sie.
    »Man kann«, seufzte er. »Es ist schwierig, aber es geht.«
    »Eine Menge Menschen leben auf diese Weise«, sagte sie beharrlich und nahm sich eine Tomate vor.
    »Eine ganze Menge.«
    »Sie leben, sie arbeiten und so weiter«
    »Durchaus. Sie machen sogar Musik.«
    Sie häufte die Tomatenwürfel in die Glasschüssel, die sie aus dem Küchenschrank geholt hatte. »Das schwierigste ist«, erklärte sie nachdenklich, »einen Grund zum Weiterleben zu finden. Das, was man gemeinhin als Lebenssinn bezeichnet.« Sie lächelte wieder. »Manchmal glaube ich, daß ich das Kind haben wollte, damit es mich zwingt, Verantwortung zu übernehmen, und dann kommt es mir vor, als hätte ich verdammt egoistisch gehandelt. Es ohne Vater aufzuziehen und all das, nur um einen Grund zu haben.« Das Grübchen zeichnete sich ab und verschwand.
    »Vielleicht sollten Sie nicht so streng und kritisch mit sich ins Gericht gehen. Vielleicht ist es besser, einfach die eigenen Unzulänglichkeiten zu akzeptieren und es dabei bewenden zu lassen. Warum haben Ihrer Meinung nach Ehepaare Kinder?«
    »Soll das eine ehrliche Frage sein?« sagte sie kühl. »Bei Ehepaaren ist es ein selbstverständlicher Schritt, der sich von allein ergibt. Ich habe dieses Baby behalten, obwohl ich mich der Tatsache stellen mußte, daß ich dem, dem ich einmal bedingungslos vertraut habe, nicht länger glaubte.«
    »Sie haben ihm bedingungslos vertraut? Man sollte nie mandem bedingungslos vertrauen«, sagte Michael, wen dete das Omelett und drehte die Flamme klein. »Jemandem bedingungslos zu vertrauen bedeutet in gewisser Weise, sich auf den Stand eines Säuglings zurückzuversetzen. Es gibt keinen Menschen ohne Schwächen. Man muß die Schwächen berücksichtigen, und sich für ein bedingungsloses Vertrauen zu entschließen würde bedeuten, daß man die Schwächen zu ignorieren versucht.« Er löschte das Feuer.
    »Was macht der Salat?«
    Sie zog die Nase hoch und hob die Augen von der Schüssel.
    »Er ist fertig. Ich muß ihn nur noch würzen. Wozu dann das Ganze. Wenn man nicht vertrauen kann? Was ist Liebe, wenn nicht Vertrauen?«
    »Ich habe nicht gesagt ›Vertrauen‹, ich sagte ›bedingungsloses Vertrauen‹. Es gibt da einen Unterschied. Haben Sie Olivenöl?«
    Sie nickte. »Wir essen drüben, hier ist es

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