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Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Ochajon 04 - Das Lied der Koenige

Titel: Ochajon 04 - Das Lied der Koenige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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bin ich beinahe süchtig nach die sen banalen, romantischen Träumen.« Man konnte den Ekel in ihren Augen sehen. Sie senkte den Blick. »Du verachtest mich sicherlich«, stieß sie hervor.
    »Das tue ich nicht«, sagte er leise, um das Baby nicht zu wecken. »Wie könnte ich dich verachten. Es tut nun mal weh, und ich sehe, wie du dich quälst und gegen den Schmerz ankämpfst, als könne man ihn abschwächen. Es gibt keine Abschwächung. Was immer du auch tust, es tut weh. So geht es einem, der sich entschlossen hat, an der Liebe zu vergehen. An der Idee der Liebe. An ihrer Phantasie, die in keinem Zusammenhang zu dem Subjekt steht, das eine regelrechte Vogelscheuche sein kann, wie du gestern selbst gesagt hast.«
    Sie weinte lautlos. Mit dem Rücken der Hand, die den Bo gen hielt, wischte sie ihre dicken Tränen ab, rieb auch über ihre Nase und zog sie hoch. Ihre Nasenspitze wurde rot, und die Sommersprossen auf dem Nasenrücken erblaßten.
    »Ich staune immer wieder darüber, wie Menschen, vor allem Frauen, jemanden lieben oder vermissen können, vor dem sie keine Achtung haben. « Wieder wischte sie sich über die Augen.
    »Eigentlich«, sagte sie nüchtern, »ist es so, wie du gestern gesagt hast. Wonach ich mich tatsächlich sehne, ist, wieder ein Kind zu sein, jemandem nah zu sein, von jemandem abzuhängen.« Plötzlich fing sie an zu zittern und sah ihn an: »Warum sind deine Augen so traurig?«
    Er lächelte jetzt im Konzertsaal, als er sich an den Tonfall der Frage erinnerte. Er war erschrocken und schuldbewußt gewesen. »Mache ich dich so traurig? Verzweifelst du an mir?« hatte sie gefragt.
    »Nein, ich verzweifele nicht an dir. Wie kann man an jemandem verzweifeln, der wie du das Doppelkonzert spielt? Ich habe an meinen Sohn gedacht.«
    »Woran genau hast du gedacht? Vermißt du ihn?« Er antwortete mit einem schwachen »Ja«. Aber nicht die Sehnsucht war es, die ihn in diesem Moment gequält hatte, sondern die Erinnerung an etwas, das ihm gerade eingefallen war und das plötzlich in seiner Brust nagte. Es war zunächst ein kurzer Gedanke an Maja gewesen, die in ihm völlig ver blaßt war. Wie wenig er im letzten Jahr an sie gedacht hatte! Später hatte er dieses Bild vor sich gesehen. Klar und deutlich hatte er den vierzehnjährigen Juwal auf der schmalen Bettkante sitzen sehen, das Gesicht in den Händen vergraben, und sich selbst, wie er in der halboffenen Tür des Zimmers stand. Er fragte erschrocken: »Was ist los?« und setzte sich rasch neben Juwal, wiederholte seine Frage, legte ihm den Arm um Schultern und Brust, horchte erschrocken dem bitteren Schluchzen des Heranwachsenden und einer gebrochenen Stimme, die mal hoch und mal tief war. Er schnappte Satzfetzen auf, aus denen er sich eine Geschichte zusammensetzte, deren Essenz war: Roni-will-nicht-mehr, nicht mal reden. Er fand keine Worte, wußte nicht, was er antworten sollte. Er behielt Juwal nur im Arm, hielt ihn fest und schwieg. Später hatte er ihn nie wieder weinen sehen.
    Nita hatte recht. An den Stellen, an denen Rossinis Mu sik nicht komisch war, war sie voller Melancholie. Von den vier Teilen der Ouvertüre mußte der erste eine idyllische Naturlandschaft in den Schweizer Alpen suggerieren, hatte Nita erläutert. Aber sie erwähnte auch die unvermeidliche Spannung zwischen der Idylle und der tragischen Bedrohung, die über ihr schwebte. Der Donnerschlag der Pauken störte jetzt die süße Trauer des Cellos. Er sollte an dieser Stelle nur ein schwaches Echo geben, aber unter den Händen Theo van Geldens war das Paukenecho zu laut und zu mächtig. Er schwang den kleinen silbernen Taktstock, von dem Nita voller Stolz geschildert hatte, wie er ihn als anerkennendes Geschenk von Leonard Bernstein höchstpersönlich erhalten hatte, nachdem er die New Yorker Philharmoniker vor mehr als zwanzig Jahren zum ersten Mal dirigiert hatte. Nach dem Echo stach das zurückhaltende, elegische Cello um so mehr hervor. Erst jetzt, als sein Atem ruhiger wurde, begriff er, wie angespannt er war. Erst jetzt, als er den bekannten Schmerz im Unterkiefer spürte, den das Zusammenbeißen seiner Zähne verursachte, erkannte er, wie sehr sich ihr Lampenfieber auf ihn übertragen hatte.
    Nita behauptete, das Cello müsse elegisch und doch pastoral klingen. Immer wieder lauschte sie ihrem eigenen Spiel – wenn er ihr dabei zusah, bewunderte er ihre Konzentration. Ihr ganzer Körper schien sich in eine große Ohrmuschel zu verwandeln, die streng und kritisch war.

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