Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand
wird böse auf mich sein, wird sie mich umbringen, Tanta Ora?«
Adas Augen hingen an ihm wie Juvals Augen damals, voll Furcht und Hoffnung auf eine rettende Erlösung, an die sie nicht mehr glaubten.
»Du weißt doch«, sagte Michael, »dass Zohra Baschari nicht deswegen ermordet wurde, weil du eine Wohnung gekauft hast. Du weißt auch sehr gut, wenn sie nicht in diesem Haus ermordet worden wäre, wäre es woanders passiert. Wer sie ermordet hat, wusste nicht, dass ausgerechnet du das Haus gekauft hast.«
»Aber er hat diese Öffnung benutzt, die wir ins Dach hinauf durchgebrochen haben«, sagte Ada den Tränen nahe, »wenn ich nur nicht mit dem Dach angefangen hätte ...«
»Glaubst du wirklich, dass man Zohra Baschari ermordet hat, weil du diesen Durchbruch hast machen lassen«
»Ich weiß nicht mehr, was ich glaube oder denke«, erwiderte sie mit gepresster Stimme, die das Weinen unterdrückte.
»Du glaubst«, sagte er nachdenklich, »dass du den Mythos der Speicher wieder zum Leben erweckt hast? Dass es hier wie in einem Schauerroman irgendeinen Durchlass gibt, hinter dem sich das Böse offenbart? Das sich in Speichern verbirgt? Glaubst du das?«
»Ich weiß nur, dass ich nicht so ... nicht so weit hätte gehen dürfen mit ...«
»Womit? Mit dem Wunsch, ein Zuhause zu haben, das du liebst? Was ist denn dieses Haus? Man könnte meinen, du hät test einen Palast gekauft, es ist schön, aber man braucht nicht gleich übertreiben ... es ist eigentlich nicht einmal ein Haus, sondern eine Wohnung in einem Haus ... und abgesehen davon, jetzt ernsthaft gesprochen, können wir im Ernst sprechen?«
Sie nickte und schniefte.
»Schau, ich sage nicht, dass der Mythos der Speicher nur Blöd sinn ist. Die Menschen denken, nein, sie denken nicht, sie fürchten, dass sich hinter den Dingen – unter der Erde, im Keller, in Bunkern, hinter den Wänden, an unsichtbaren Orten – das Chaos verbirgt, das sich, wenn sich der Keller, der Bunker, und am schlimmsten von allen, der Speicher auftut, leibhaftig offenbart, hast du so weit verstanden?«
»Schon, aber das tröstet mich nicht. Ich habe den Speicher aufgemacht, und man hat eine Leiche gefunden, nicht wahr?«
»O.k.«, stellte Michael fest, »sie ist bereits gefunden worden. Verstehst du? Du hast nichts mehr zu befürchten, die Leiche wurde schon entdeckt, und es gibt dort nicht noch eine. Und einen Keller hast du nicht. Es gibt dort keinen versteckten bösen Geist mehr, stimmt’s oder nicht?«
Sie lächelte schwach. »Das ist sehr schön von dir, dass du mich so beruhigst, aber das ist nicht wirklich, was ...«
»Dann lass es uns noch einfacher machen, ganz simpel«, sagte er geduldig, »von einer anderen Warte aus betrachtet: Wenn du nicht mit dem Dach angefangen hättest, hätte er sie unten ermordet oder in einem anderen Haus. Und außerdem, hättest du das Haus nicht gekauft und das Dach nicht angerührt, und wärst du damals nicht gekommen, um vor der Renovierung alles in Augenschein zu nehmen, hätten wir Zohra Baschari nicht gefunden. Und wenn du sie nicht dort entdeckt hättest, hätten du und ich uns nicht nach all diesen Jahren getroffen und ...«
»Siehst du?!«, schoss sie in die Höhe, »alles hier ist Zufall! Es gibt hier nichts, was von vornherein beabsichtigt gewesen wäre, diese ganze Begegnung ist purer Zufall.«
»Im Gegenteil«, erwiderte Michael, und statt sie an ihre Worte über die Hand des Schicksals, die sie zusammengeführt hatte, zu erinnern, sagte er: »Alles ist das genaue Gegenteil von Zufall. Dieses Haus steht dir zu, weil du es dir so sehr gewünscht hast. Es passt auch zu dir, und du wirst auch noch viel Freude daran haben. Der Mensch muss an einem Ort wohnen, den er liebt, damit er ein Haus hat, ein Zuhause im wahrsten Sinne des Wortes. Du hast das Haus gekauft, weil du beschlossen hast, etwas zu tun, das du wolltest, und wer es wagt, das zu tun, was er wirk lich will, eröffnet sich einen Durchbruch auch zu anderen Dingen, allen möglichen Dingen, die du davor schon gewollt hast und von denen du dachtest, du hättest bereits auf sie verzichtet.«
»Ich habe ganz vergessen«, sie neigte den Kopf, »du glaubst ja nicht an Zufälligkeit, schon als du siebzehn warst, hast du nicht daran geglaubt, du hättest ...« Sie sah ihn an und verstummte.
»Was hätte ich?« Gerade weil sie sich beruhigt hatte und nun wieder verhältnismäßig gelassen sprach, war er neugierig darauf zu erfahren, was sie meinte.
»Deine Doktorarbeit in
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