Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand
Linie unter seinem rechten Auge, hatte er ein Grübchen, das sie erst jetzt entdeckte, als er mit breitem Mund lächelte.
»Hier Einat. Nichts in der Mikve in der Schimschonstraße, over«, und wieder klang der Hintergrundlärm auf. Den Bagel zwischen die Zähne geklemmt, markierte sie mit dem grünen Filz stift kräftig ein dickes X, legte danach den Stift aus der Hand und nahm den Bagel aus dem Mund, um zu sagen: »Notiert. Over.«
»Schaut euch bloß diesen Garten an«, hörte sie Ja’irs Stimme, »schaut mal, was es da für schöne Feigenbäume gibt. Ein ganzer Feigendschungel und total verwahrlost!« Ein Glück, dass Balilati noch nicht hier war, er hätte schon längst etwas losgelassen, wenn er Ja’irs Bemerkungen gehört hätte. »Ein verlassener Lagerschuppen«, sagte eine Stimme, die ihr unbekannt war, begleitet von heftigem Gebell.
»Sollte Herr Balilati auch hier eintreffen?«, fragte Mosche Avital, und sie nickte bestätigend – was sollte sie ihm mit einem Mund voller Bagel und pappsüßem Kaffee, alles von ihm, schon sagen? »Vielleicht kommt er ja vorher, vor Ochajon«, murmelte Mosche Avital und hielt ihr ein offenes Marlboropäckchen hin, aus dem eine einzelne Zigarette herausragte. »Nein danke, ich rauche nicht«, sagte sie zu ihm, und er zündete sich selbst eine an, ohne sie auch nur um Erlaubnis zu fragen.
»Sie müssen bitte draußen warten.« Seit wann war sie derart kleinlaut? Seit wann hatte sie denn ein Problem damit, jemandem zu befehlen, draußen zu warten?
»Draußen, drinnen, was macht das für einen Unterschied?«, sagte Mosche Avital, »es ist nicht gut, so nervös zu sein, das ist ungesund. Und Sie sind eine junge, schöne Frau, da muss man auf die Gesundheit achten.«
So etwas war ihr einfach noch nie passiert. Da saß dieser Mann da – aus eigener Gutwilligkeit zwar, denn niemand hatte ihn in diesem Stadium zu etwas gezwungen –, als sei er irgendein Freund der Familie, ein alter Freund, der ihr Ratschläge gab, und sie? Was war los mit ihr? Vielleicht die Müdigkeit.
»Wir gehen zur Gideonstraße, over«, ertönte Ja’irs Stimme, und im Hintergrund hörte sie einen Mann in komischem Eng lisch sagen, »there is a playground in the middle«, und danach Knarren, Gebell, ein paar nervöse Ausrufe. »Ein Korbballplatz, leer. Nur ein paar Kinder. Over«, sagte Ja’ir am Funkgerät.
»Sagen Sie ihnen, sie sollen in den Schutzräumen der Wohnblocks dort suchen«, sagte Mosche Avital plötzlich, und anstatt ihm zu sagen, er solle auf der Stelle hinausgehen und sich nicht einmischen, fragte sie ihn: »Warum?«
»Das sind große Blocks dort«, erwiderte er, und sein französischer Akzent verstärkte sich, »es gibt viele Leute, da fällt nichts auf.«
»Mikve in der Gideon. Abgesperrt. Wir brechen jetzt auf. Over«, meldete Ja’ir.
»Seid ihr in die Schutzräume der Wohnblocks rein?«, fragte sie, während sie den Bagel wieder zur Seite legte und mit dem grü nen Filzstift eine Markierung anbrachte.
»Sie suchen jetzt gerade dort, mit dem Hund, ich verstehe nicht, warum es hier dermaßen viele Mikven gibt.«
»Schätzchen«, war die Stimme einer Frau zu hören – vielleicht Einat –, »was meinst du denn, wo du bist? Das hier ist Jerusalem, ist dir das noch nicht aufgefallen?«
Mosche Avital wischte sich die Lippen mit einem Papiertaschentuch ab und lächelte. Er tat nicht einmal so, als würde er nicht zuhören. Lauschte einfach dem Gespräch. »Aber ich habe gedacht, das sei ein säkulares Viertel«, sagte Ja’ir. »Und das vorher hat dir besser gestanden, entschuldige, dass ich das sage, mit den Haaren so ... uff, tut mir Leid, dass ich es gesagt habe, ich hätte das sicher nicht tun sollen.«
Jetzt war Zila sicher, dass das vorher Einats Stimme gewesen war. Und etwas an der Art, wie sie miteinander sprachen, Ja’ir und sie, verursachte ihr Unbehagen. »Was, das hier ist nicht säkular?«, hörte sie Ja’ir fragen. Und sofort darauf Einats Antwort: »Es gibt keine säkularen Viertel in Jerusalem, wie denn, bei der ganzen Macht der Orthodoxen? Die Stadtverwaltung, sogar den Bürgermeister haben sie von vornherein in der Hosentasche, denn ohne das wird er nicht gewählt.« Was dachten die eigentlich, wo sie sich befanden?! Was schwatzten die ihr da einfach in den Sender rein? Und Mosche Avital lächelte sie schmelzend an, mit diesen Zähnen und seinem Grübchen unter dem rechten Auge.
»Was dann, so ein Viertel wie Mea Schearim?«, fragte Ja’ir, und Zila
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