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Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Titel: Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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irgendwie gekränkt zu sein, und verließ das Zimmer.
    Danach liefen die Dinge in einem Tempo ab, das fast beruhigend gewesen wäre, wenn man beiseite ließ, worum es ging. Sie vergaß beinahe, dass ein kleines, verlorenes Mädchen gesucht wurde, so sehr war sie mit dem Markieren beschäftigt: ein dünner Pfeil durch die schmale Gasse zwischen Bethlehemer Land straße und Mordechai Hajehudi, bis zu dem Haus, das einmal der Arbeiterpartei gehört hatte. »Es gibt Spuren, dass hier je mand war«, beharrte eine unbekannte Stimme. »Das stammt noch von den rumänischen Arbeitern, niemand ist hier reingekommen bei diesem Baum, der den Eingang blockiert«, anwortete jemand anderer.
    »Hast du eine Synagoge am Ende der Mordechai Hajehudi eingezeichnet? Over«, fragte sie Ja’ir.
    »Ich hab einen Stern da«, antwortete Zila, »so eine Art Davidstern. Es gibt eine Synagoge auf der Karte am Ende der Mordechai Hajehudi, aber das ist eine Sackstraße. Over.«
    »Was spielt das denn für eine Rolle? Over.« Auf diese Frage hatte sie keine Antwort.
    Wieder herrschte Stimmengewirr, die Rede war von einer Laubhütte, jemand erwähnte einen Kiosk. In diesem Moment krachte die Tür auf, und Balilati stand im Eingang. »Ich bin daheim vorbei und hab dir ...«, er keuchte, als wäre er den ganzen Weg gerannt, »Mati lässt’s dir schicken, ein bisschen Hühnersuppe und Reis mit Bahmia und Fleisch.« Noch unterm Reden stellte er eine große Plastiktüte zu ihren Füßen ab und trennte die Griffe voneinander, um ihr den Turm von viereckigen Plastikbehältnissen vorzuführen. Der Geruch nach Essen breitete sich im Raum aus, und Balilati nickte mit dem Kopf in Richtung Gang. »Verschmort langsam, dieser Avital, was?«
    »Dann übernimm du ihn«, erwiderte Zila, »schaff ihn mir bloß vom Hals. Den ganzen Morgen macht er mich schon wahnsinnig.«
    »Ich kann nicht«, seufzte Balilati mit kummervollem Gesicht, »ich habe das Meinige mit ihm schon getan. Meine Aufgabe war es, das mit der Wohnung und mit dem Alibi zu klären, jetzt iss schon, Mati hat in die Tüte auch Löffel und Gabel reingesteckt. Schau zu, dass du’s rausholst, solange es noch heiß ist, wäre doch schade drum, oder?« Ohne die Antwort abzuwarten, holte er den obersten Behälter aus der Tüte und öffnete ihn, und der Geruch nach Hühnersuppe, der sie anwehte, rief ihr in Erinnerung, wie hungrig sie war. »Und hat er?«, fragte sie und führte behutsam den Löffel zu ihrem Mund.
    »Was? Ach so, ein Alibi? Nicht wirklich, man kann unmöglich behaupten, dass er eins hat. Ein Haufen Geschwafel.«
    »Seit sechs Uhr früh sitzt er hier«, stellte Zila fest. Sie ließ den Löffel auf den Tisch fallen, hob das Plastikbehältnis hoch, hielt es schräg an ihren Mund und trank von der Suppe.
    »Sag mal«, Balilati studierte angelegentlich das Fenster, und in seinem Ton klang ein irgendwie vertrauter Vorwurf an, »was fin det ihr Weiber eigentlich an diesem hässlichen Gnom? Die machen mich noch wahnsinnig, die Frauen, sogar du? Wie hat er jetzt dich rumgekriegt?«
    »Niemand hat irgendjemanden rumgekriegt«, korrigierte sie ihn und widmete sich dem zweiten Plastikbehälter. »Sag Mati, dass ich so eine Hühnersuppe nicht mehr gegessen habe, seit meine Mutter gestorben ist, sag ihr das, hörst du? Vergiss es ja nicht.«
    Balilati wandte seinen Blick vom Fenster. »Probier das Bahmia, niemand sonst kocht so ein Bahmia. Er hat sich mit Zohra Baschari am Tag ihres Todes getroffen. Stell dir das vor.«
    »Wann?«, fragte Zila betroffen. »Tagsüber oder am Abend?«
    »Er behauptet, am Mittag, aber weiß man’s?«, erwiderte Balilati und angelte sich eine Bahmiaschote aus dem Plastikbehält nis. »Er sagt, sie hätten zusammen zu Mittag gegessen. Man muss den Wirt noch fragen, irgendein Itzik, in Machane Jehuda oben, den kenn ich. Ich hab ...«
    »Dann lasst ihn endlich heimgehen, und bestellt ihn nachher her«, verlangte Zila, »meinst du, der reißt euch aus?«
    »Was ist denn mit dir los?« Balilati lümmelte sich auf den Stuhl, legte einen Fuß auf sein Knie, als hätte er vor, sich hier gemütlich niederzulassen, und in seinem Mundwinkel bahnte sich das gewisse Lächeln an, dem stets irgendein ärgerlicher blöder Spruch zu folgen pflegte, doch der Lautsprecher ließ ihn nicht dazu kommen.
    »Nichts in der Synagoge«, meldete Ja’ir, »wir gehen raus. Es gibt hier so einen alten Kiosk an der Jehudastraße, wo sie auf die Mordechai Hajehudi trifft, da gehen wir vorbei.

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