Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand
nicht ganz, weshalb sie ...«
»Natürlich hat sie es nicht benutzt«, unterbrach ihn Zila, »wenn sie ... wie hätte sie auch können? Nichts, aber auch gar nichts davon! Hörst du? Nichts davon entspricht ihrem Leben, nicht nur ihrer Größe nicht, sondern überhaupt. Das sind keine Sachen, die ein Mensch stiehlt, um sie zu benutzen, sie sind nur dazu da, um etwas zu haben, so eine Kiste mit schönen Dingen ... einen Schatz zu besitzen.«
»Wo ist Eli?«, fragte Michael, nachdem Zila den Karton geschlossen hatte, indem sie die schon stark abgenutzten, eingerissenen Deckelteile wieder ineinander steckte.
»Was, du hast ihn nicht zur Spurensicherung geschickt? Ich dachte, er sitzt den ganzen Tag mit denen zusammen, das hat er wenigstens zu mir gesagt ...« Sie sah ihn beunruhigt an. »Und auch, als ich ihn angerufen habe, das Handy war ... Teilnehmer nicht erreichbar, also meinte ich, sie seien mittendrin in der Arbeit, aber du hast ihn gar nicht hingeschickt?«
»Ich ...«, stotterte Michael, der Eli seit dem Moment nicht mehr gesichtet hatte, als er während der Aufregung über den Zeitungsartikel die Teamsitzung verließ. »Das heißt, ich habe ihn schon um etwas gebeten, aber ich dachte, dass ...« Für einen Augenblick packte ihn die Verwirrung, da er mit beiden zusammenarbeitete, sie beide gleichermaßen mochte und nun das Gefühl hatte, als werde von ihm verlangt, irgendeine Tarngeschichte zu unterstützen, die ein Ehemann seiner Frau erzählt hatte. Nicht genug, dass er Eli Bachar nicht zur Spurensicherung geschickt hatte, er hatte auch nicht die leiseste Ahnung, wo er sich befand.
»Das ist es ja«, sagte Zila, »ich dachte, er wartet ... er hat etwas von DNA gesagt, und ich habe gemeint ... gedacht, dass er zurückkommt für das Verhör von Natanael Baschari, aber am Ende warst du derjenige, der .... er weiß noch nicht mal, was für eine Szene es dort gab, hast du so was schon mal gesehen?«, sie seufzte, »hast du gesehen, was für ein Skandal? Und einfach so vor allen, ohne jede Scham, ich ... ich könnte das nicht«, stellte sie fest, zupfte an ihrer spitzen Nase und musterte einen losen Knopf an ihrem gestreiften Flanellhemd. Michael widmete sich intensiv dem Terminkalender auf seinem Tisch. Er hielt die Augen gesenkt, damit sie nicht verrieten, dass er für Eli gelogen hatte, auch wenn es keinerlei Grund zu der Annahme gab, dass bei seinem Verschwinden eine andere Frau mit im Spiel war. Immer noch hatte er Elis ausweichenden Blick vor Augen, und Bruchstücke von Ha gar Bascharis Worten echoten in seinem Kopf. Einen Teil hatte sie herausgeschleudert – »Fünf Jahre! O Gott, fünf Jahre, und ich hatte keine Ahnung!« –, andere entschlüpften ihren zusammengebissenen Zähnen – »Diese Nutte, nur weil sie ... treibt sich mit allen herum ... macht ihren ganzen Kunden schöne Augen, Maklerin nennt sich das ... und Zohra hat es sicher gewusst, garantiert! Sie ist ihre Freundin ...« Während Natanael Baschari ihr noch im Synagogenraum gegenübersaß, sich mit ineinander geklammerten Fingern vor ihr verteidigend und gleichzeitig ihrem Ausbruch vollkommen ausgeliefert, die rötlichen Abdrücke ihrer Finger noch auf seiner Wange, hatte Hagar gesagt: »Das ist alles wegen der Synagoge und diesem Aktivismus, diese ganzen Leute ... Gemeindeleben nennen sie das, Gemeinde ... vielleicht muss ich mich überhaupt noch dafür bedanken, dass es nur eine war?«
Alles hatte mit dem Termin in der Synagoge begonnen, bei dem er vorgehabt hatte, mit Natanael Baschari in den Keller hinunterzugehen und die Gegenstände zu besichtigen, die seine Schwester dort gesammelt hatte. Er dachte, dabei vielleicht etwas über die Zettel in Erfahrung zu bringen, die im Garten der Familie Benesch gefunden worden waren. Als er und Zila vor Ort eintrafen, war das Tor der Synagoge verschlossen, und kein Mensch reagierte auf ihr Klingeln. Erst nach zwanzig Minuten, als sie es bereits aufgeben wollten, sagte Zila plötzlich: »Da sind sie.« Noch bevor er dazu kam, sich über den Plural zu wundern, sah er, dass Natanael nicht allein zu dem Termin gekommen war. Seine Frau Hagar marschierte energisch neben ihm her und verlangte sofort, als sie bei ihnen angelangt waren, aus dem Munde des verantwortlichen Ermittlungsbeamten zu erfahren, und zwar i n Gegenwart von Zeugen (»Genügt Zila als Zeugin?«, hatte Michael dort halb spöttisch gefragt), wo genau sich ihr Mann zu der Zeit befunden habe, in der man ihn stundenlang gesucht hatte,
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