Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand
Lächeln über ihr Gesicht. »Es ist plausiblerweise anzunehmen, dass es jemand aus deiner nächsten Nähe war, der geplaudert hat, oder nicht?«
»Ich möchte jetzt nicht darüber reden«, erwiderte Michael, »lass uns später darüber nachdenken. Morgen, übermorgen, jetzt will ich ...«
»Jetzt willst du schlafen? Duschen und schlafen?«, sagte Ada, und ihre Augen blickten ihn warm und dunkel an, »würdest du das vielleicht gerne?«
»Duschen und das Bewusstsein verlieren«, antwortete Michael und stemmte seinen Körper mühsam aus den Polstern des kleinen Sofas hoch, in denen er versunken war.
Ada reichte ihm ihre Hand, und er griff danach, um sich hochzuziehen. »Nun«, sagte sie, »bloß gut, dass sie dich jetzt nicht sieht, diese Journalistin, du würdest ihr den ganzen Glorien schein ruinieren, den sie dir verpasst hat.«
Unter dem Strahl des heißen Wassers auf seinem Rücken über fiel ihn wieder die quälende Verwunderung vom Morgen, und er lehnte seine Schulter an die weißen Fliesen und lauschte dem plätschernden Strom, der die Ereignisse des Tages mit sich fortspülte – die Verlegenheit der Frau, die vorgeladen worden war, um Mosche Avitals Alibi für die Mordnacht zu bestätigen, und das melodiöse Französisch, das Avital am Telefon mit seiner Frau sprach, das unkontrollierte Zittern in Efraim Beneschs Beinen, der nicht einmal mehr zur Tür zu gehen vermochte, als er hörte, dass sein Sohn und seine Frau das Präsidium verlassen durften, Balilatis verdrossenes Gesicht, nachdem er ihn für seinen Trick bezüglich des Mädchens gerügt hatte. Zwischen all dem verharrte wie eingebrannt Zilas Gesichtsausdruck beim Anblick des Kartons. Er war aus dem Schutzraum des Wohnblocks geholt worden, in dem die Familie Chajun lebte, und Zila hatte den Inhalt betrachtet und jedes einzelne Objekt mit den Fingern betastet, als wollte sie genau erforschen, wie es sich anfühlte. »Schau dir die Schätze an, die diese Nesja gesammelt hat. Das bringt mich echt um, diese ganzen Sachen«, flüsterte sie Michael mit ge presster Stimme zu, nachdem sie alles in der Hand gehabt und wieder verstaut hatte, »ich hab dir nie davon erzählt, aber als ich klein war ... da hab ich auch ... ich war auch ein ziemlich ... kein hübsches Mädchen ... das heißt, ich war hässlich.«
»Das glaube ich dir nicht«, hatte er zu ihr gesagt und ihren Arm ergriffen, »das kann nicht sein. Was redest du da, die Kinder, sie sehen dir doch ähnlich, nicht nur Eli, und sind eure Kinder vielleicht hässlich?«
»Du verstehst das nicht«, erwiderte Zila, »es gibt solche Mädchen, die denken, sie sind hässlich, dick und ... vielleicht pflegen sie das sogar regelrecht ... wie soll man sagen, gehen darin auf, irgendwie gerade zum Trotz, aus lauter Verzweiflung, denke ich. Wenn andere sie so sehen ... wenn man mich nicht will, dann ... du kannst das nicht verstehen, du warst schon immer so ... nun ja ... so gelungen.«
Mit einem leichten Lächeln legte er seinen Arm um ihre Schul tern. Sie arbeiteten seit Anfang seiner Laufbahn bei der Polizei zusammen, und er erinnerte sich noch daran, wie er tagelang ihren Klagen über Eli Bachar zugehört hatte, der »alles macht, um sich vor einer ernsthaften Beziehung zu drücken«. Er hatte sie damals ermutigt und sich danach über die Hochzeit gefreut, und er war der Pate ihres erstgeborenen Sohnes. Obwohl er mit ihr nie über sein Privatleben sprach, wusste er, dass sie sich auf ihre stille Art um ihn sorgte. Nie hatte sie versucht, ihn mit einer ihrer Freundinnen zu verkuppeln, und als sie vom Kauf der Wohnung gehört hatte, hatte sie ihn ohne einen Funken Kritik beglückwünscht und Balilatis anklagendes Gemecker abgeschmettert: »Ein Haufen Altweiberängste, besonders jetzt, wo der Markt tot ist und alle aus Jerusalem flüchten, es gibt doch kaum einen besseren Zeitpunkt, um eine Wohnung zu kaufen.« Sie ging sensibel mit ihm um, als wüsste sie, was er in jenen Momenten empfand, in denen er in sich gekehrt war.
»Dieses Mädchen, Nesja – noch dazu dieser Name –, nun, ich habe als kleines Mädchen auch gestohlen, nicht so viel, aber ich habe Sachen genommen, wenn es niemand sah ... braucht je mand das hier wirklich? Du siehst ihr ganzes Fantasieleben in dieser Kiste, mit dem Violett und dem Gold, den Unterhosen und dem Büstenhalter und diesem Täschchen.«
»Sie hat nichts davon benutzt«, bemerkte Michael und löste seinen Arm von Zilas Schulter, »alles ist brandneu. Ich verstehe
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