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Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand

Titel: Ochajon 05 - Denn die Seele ist in deiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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der dort wartenden Gäste nicht verflüchtigt hatte, verwunderte ihn zutiefst. Aber mehr noch wunderte ihn die Unge zwungenheit, mit der er sich zum festlichen Abendessen mit ihrem Sohn und ihrer Tochter, deren Partnern und ihrer Schwester niederließ, denen er allen zum ersten Mal begegnete. Und als er sich vergegenwärtigte, dass . er, der jahrelang der verkrampften Distanziertheit und mangelnden Spontaneität in intimen Beziehungen bezichtigt worden war – von Frauen, die er liebte, und auch von Männern, die ihm nahe standen –, während des ganzen Essens entspannt und gelöst war, als sei er nach Hause gekommen, da staunte er über sich selbst. Auch die Familienmitglieder behandelten ihn mit einer Selbstverständlichkeit, als ob sie ihn seit langem kennen würden und überhaupt nichts ungewöhnlich daran wäre, dass er mit ihnen zu Tisch saß. »Du warst schließ lich der erste Kuss meiner Mutter«, schmunzelte die Tochter, die mit ihrem kurzen blonden Haar und ihren grauen Augen wie eine helle, aber getreue Kopie von Ada aussah. Damit war die nagende Frage, was sie wohl von ihm wussten, gelöst, und er korrigierte sie nicht, erwähnte nichts von der Existenz jenes Freundes damals, der sie sicher mehr als ein oder zwei Mal vor ihm geküsst hatte.
    »Du warst der Don Juan der Oberstufe«, sagte ihre Schwester mit einem kleinen Lächeln und blickte schüchtern zur Seite, »du erinnerst dich sicher nicht mehr an mich – ich war zwei Jahre unter euch, so ein Mäuschen, vor meinem eigenen Schatten bin ich erschrocken, in der Nacht habe ich unaufhörlich geweint vor lauter Heimweh, und es hat ein halbes Jahr gedauert, bis ich es geschafft habe, in dem Internat überhaupt einzuschlafen.« Fast entschuldigend bekannte er, dass er sich tatsächlich nicht an sie erinnerte.
    »Nicht direkt ein Don Juan«, berichtigte Ada mit einem klei nen Lächeln, das nahezu feststehend jeden ihrer Blicke zu ihm hin begleitete, »es gab keine Beweise, man hat ihn nie in Aktion gesehen, und er ist nicht von einer zur anderen gegangen. Keine aus der ganzen Oberstufe hat aus persönlicher Erfahrung berichtet. Es waren Geschichten im Umlauf. Die Mädchen waren verrückt nach ihm, aber er, er war unerreichbar. Es wurde gesagt, er hätte eine Affäre mit einer älteren Frau, stimmt das? Hattest du?«, wandte sie sich an ihn, und er errötete, hüstelte und verzog ab wehrend den Mund. Obwohl Becky Pomerantz, die Mutter sei nes besten Freundes und Klassenkameraden, vor einigen Jahren gestorben war, fiel es ihm nicht ein, jemandem der Anwesenden, oder überhaupt, von der musikalischen Erziehung und der Verführung zu erzählen. Er zündete sich eine Zigarette an, um sein Schweigen zu überdecken, und wunderte sich erneut über seine Gemütsruhe, die auch die teils neckende Unterhaltung nicht er schütterte – die angeregte Gelassenheit eines Menschen, der seine Erwartung nicht aus Angst vor einer möglichen Niederlage dämpfen muss, für den gerade das Hinauszögern die Vorfreude erhöht. Er wusste mit absoluter Sicherheit, dass diese Frau – unter derem dunklen, von grauen Fäden durchsetzten Haar sich noch der Schatten der Jugend erhalten hatte – ihm erlauben würde, an sie und sein Ebenbild von einst zu rühren. Woher diese Gewissheit rührte, verstand er nicht genau, doch anders als sonst zwang er sich auch nicht dazu, sie zu ergründen. Kein »was wird, wenn« und »wie soll denn« bohrte in ihm.
    Als sie zum ersten Mal in dem Cafe in der Jafostraße gesessen hatten, nach Adas Ausbruch über Balilati, hatte er schon dieses entspannte Wohlgefühl empfunden, wie sie so zusammensaßen und sich unterhielten. Obwohl er wusste, dass Dr. Solomon, der Pathologe, auf ihn wartete, ebenso wie Wachtmeister Ja’ir, den er ohne Erklärungen in seinem Büro zurückgelassen hatte, hinderte ihn das überhaupt nicht daran, sie nach ihrem Leben zu fragen, nachdem sie sich ein wenig über die Geschichte mit dem Bauleiter und Balilati beruhigt hatte und man mit ihr über etwas anderes reden konnte. So hatte er von ihr erfahren, wie sie sehr jung einen fünfzehn Jahre älteren Mann geheiratet hatte (»mein Vater starb, und meine Mutter hing an mir wie ... Ich war jedenfalls die Älteste, meine Schwester war noch beim Militär und mein kleiner Bruder, naja, er war wirklich noch klein, und es war ganz natürlich, dass ich mich verliebte, oder dachte, dass ... jedenfalls, er war ... er hat mich so geliebt, und ich dachte ...«), und wie er mit ihr, im

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