Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel
rasch in Zadiks Büro zurück. Mit gemeinsamen Kräften verrückten sie das Regal, dann schob er den Vorhang beiseite und entdeckte die Tür.
»Du entschuldigst kurz«, sagte Jafa leise und rempelte ihn fast an, um sofort die Türklinke, die Tür und das Regal auf der Suche nach Fingerabdrücken einzupudern.
»Sie wurde benutzt«, sagte Michael, »man hat diese Tür doch geöffnet, oder?«
»Klar hat man«, erwiderte Jafa und blickte ihn frustriert an, »man hat sie garantiert heute aufgemacht, sonst würden wir nämlich etwas finden, wenigstens Staub, Spinnweben, irgendwas. Aber schau hin – nichts«, sagte sie zornig, »nicht einmal … na gut, was hast du denn gedacht? Hast du vielleicht gedacht, jemand geht hinein, mordet und hinterlässt dann noch Abdrücke auf der Klinke oder Tür? Sagen wir mal, vielleicht dachtest du, von einer Handfläche oder wenigstens einem Daumen?«
»Gar nichts?«, fragte Michael.
»Nada«, murmelte Jafa, »am Regal sind Abdrücke, auf den Flaschen und dem Ganzen, aber nicht auf der Tür, jedenfalls keine Fingerabdrücke. Aber wir werden was anderes finden, keine Sorge, irgendwas finden wir schon, so wie man es uns beigebracht hat, jeder Kontakt …«
»…hinterlässt Spuren«, vollendete Michael den Satz fast unhörbar und seufzte.
»Warum, glaubst du vielleicht nicht daran?«, beharrte Jafa, kniete sich vor das Regal und klaubte äußerst behutsam mit einer Pinzette ein Haar vom Teppich auf. »Sei so gut«, sagte sie, bevor es ihm gelang, etwas zu erwidern, »und bring mir aus der Tüte neben der Tür ein kleines Nylontütchen, sag’s einfach Rafi, er gibt’s dir dann.« Doch bevor er sich überhaupt in Bewegung setzen konnte, rief sie auch schon: »Rafi, oder irgendeiner, gebt mir ein Tütchen für ein Haar!« Und Michael, der zwischen Jafa und einem jungen Mann stand, den er nicht kannte, streckte nur noch die Hand aus, erhielt das Tütchen und reichte es ihr. »Du hast mir nicht geantwortet – glaubst du daran oder nicht?«, fragte Jafa, nachdem sie sich auf den Teppich gesetzt, das Haar in die Tüte gesteckt und diese versiegelt hatte, und blickte ihn erwartungsvoll an.
»Was? Dass jeder Kontakt Spuren hinterlässt? Die Erfahrung lehrt, dass es im Allgemeinen stimmt«, stimmte Michael in nachdenklichem Ton zu, »aber wir wissen, dass es sich sehr oft einfach um Glück handelt und …«
»Wann ist es je passiert, dass wir dir nichts gebracht hätten?«, fragte Jafa beleidigt. »Bei all den Fällen, wo wir zusammengearbeitet haben, dachte ich, dass du …«
»Nein, nein, nein«, beschwichtigte er sie eilig, »das habe ich nicht gemeint, ihr seid eine wunderbare Mannschaft, keine Frage, aber es ist immer …«
»Der Anfang ist immer das Schwierigste«, warf Jafa zustimmend ein. Obwohl sie ihn den Satz nicht hatte beenden lassen, wusste sie, was ihm Sorgen machte. »Bis man Ordnung geschaffen hat, bis man die Details sieht, scheint es so, als fände man nie im Leben was … aber am Ende doch, man findet immer etwas«, stellte sie fest, halb um ihn, halb um sich selbst zu ermutigen, und schüttelte ihren langen Pferdeschwanz, »und hier haben wir sogar echtes Glück, denn wir waren sofort da, bevor überhaupt jemand … ein Glück, dass sie dich sofort alarmiert haben, wer war das, der dich gerufen hat? Ronen?«
»Ronen«, bestätigte Michael.
»Habt ihr ihn hier eingeschleust? Ich wusste nicht mal, weshalb er nicht bei der Arbeit war. Hat Zadik es gewusst?«, erkundigte sich Jafa.
»Hat er«, seufzte Michael. »Es war mit seinem Einverständnis, wegen Matti Cohen …«
Obwohl nur ein Tag vergangen war, seit Michael mit ihm gesprochen hatte, kam es ihm vor, als hätte das Gespräch mit Zadik über die Obduktionsergebnisse von Matti Cohen vor langer Zeit stattgefunden und als wäre es schon sehr lange her, seit er Zadik von der Überdosis Digoxin erzählt hatte, die man in der Leiche gefunden hatte. »Was ist das, Digoxin? Ist das nicht etwas, das man Herzkranken gibt?«, hatte Zadik gefragt. »Es klingt irgendwie bekannt, ich bilde mir ein, ich habe gesehen, dass Matti … oder vielleicht hat er’s mir gesagt?«
Michael hatte ihm auseinander gesetzt, dass das populäre Medikament, das aus der Digitalis-Pflanze, sprich dem Fingerhut, gewonnen wurde und bereits seit Anfang des achtzehnten Jahrhunderts als nützliches Mittel für eine Stärkung und Regulierung der Herzmuskeltätigkeit bekannt war, auch gefährlich sein konnte. »Es ist bekannt in der Medizin, und
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