Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel
Michael, als verstehe sich das von selbst.
»Jetzt?!«, sagte Rubin mit schwankender Stimme. »Jetzt geht er zurück an ›Ido und Einam‹?!«
Michael zuckte mit den Schultern. »Wir haben ihm erzählt, dass es genehmigt wurde, und er sagte, er habe bloß eine Woche für die Vervollständigungen«, erklärte er, »es tat ihm Leid um jede Minute, und seine Produktionsleiterin wartete draußen und …«
Rubin starrte ihn einen langen Augenblick an, bis er plötzlich auf die Klinke drückte und das Zimmer verließ.
Michael wartete noch einen Moment, dann nahm er den Telefonhörer ab: »Hören Sie mich?« Er lauschte kurz und sagte dann: »Rubin ist jetzt gerade gegangen, es ist Zeit.« Er lauschte noch einmal und fügte hinzu: »Nichts zu machen, wir haben das besprochen. Sie müssen ihn jetzt anrufen. Jetzt sofort. Auf seinem Mobiltelefon.« Und einen Augenblick darauf sagte er in geduldigem Ton, mit einem Anflug von Mitleid: »Ich weiß. Ich weiß, aber Sie haben keine Wahl. Sie müssen jetzt Ihren Freund anrufen, den Sie lieben, den Sie geliebt haben, und ihn mitnehmen.«
Nachdem er den Hörer aufgelegt hatte, blickte er auf das Telefon und ließ einige Minuten untätig verstreichen, bevor er Zila die Anweisung gab, wie geplant weiterzuverfahren.
*
»Ein bisschen komisch, unsere Fotografen und Aufnahmegeräte an diesen Ort hier zu bringen«, flüsterte Balilati Zila zu, doch sie ignorierte ihn und sprach ins Funkgerät: »Alles bereit, alle auf Posten.«
Wieder ereignete sich vor Michaels Augen das Schauspiel, in dem die gesamte Welt zu einem einzigen großen Ohr wurde, in diesem Falle allerdings auch Auge, dem seinen, neben Schorr, dessen Atemgeräusche er hören konnte (und für einen Moment fühlte sich Michael geschützt, wie vor fünfzehn Jahren, als Schorr ihn zu dieser Arbeit gebracht und ihn auch an seiner Seite behalten hatte, wenn er real vor Ort war). Sie standen beide in einer der Nischen, die zur Lagerung der Kulissen dienten, und beobachteten Benni Mejuchas, der neben dem Schauplatz von Tirzas Mord kniete und mit den Händen zeltförmig die kleine, zitternde Flamme einer der Kerzen beschirmte, die die Frauen aus der Näherei und die Bühnenarbeiter an dieser Stelle, wo ihr Schädel zerschmettert worden war, in einem kleinen Kreis aufgestellt hatten. Balilati hatte dafür gesorgt, dass das Gebäude geräumt worden war, und Benni Mejuchas genau bezeichnet, wo er warten sollte. Zuerst hörten sie das Klingeln des Telefons und danach Bennis heisere Stimme: »Ich bin hier, im Zwirnbau, bei den Kulissen, dort wo Tirza …« Und einen Moment darauf hörten sie ihn sagen: »Ich warte auf dich, sicher warte ich.«
Michael wusste, dass Balilati auch für die partielle Dunkelheit verantwortlich war, die im Korridor herrschte – in der Nische, in der er mit Schorr lauerte, war es vollkommen finster –, und daher klang Rubins Stimme zögernd und heiser, als er Benni Mejuchas rief.
»Ich bin hier«, hörten sie Bennis schwache Erwiderung, »hier bin ich, Arie, wo sie …« Er richtete sich auf und beendete den Satz: »Wo die Kerzen sind.«
Es schien Michael, als erfüllten Rubins schwere Atemzüge den gesamten Korridor, und gleich darauf hörte man ihn erstaunt, fast spöttisch ausrufen: »Hier bist du? Beim Kerzenanzünden wie ein Teenager an Rabins Gedenktag?«
Benni Mejuchas kniete sich wieder neben die Kerzen, und Rubin hockte sich neben ihn auf die Fersen.
»Sie haben mir gesagt, dass du zur Arbeit zurückgekehrt bist«, sagte er verwundert, »dass man dich freigelassen hat, stimmt das?«
»Sie haben mich freigelassen, aber ich bin noch nicht zurück zur Arbeit«, antwortete Benni Mejuchas mit gesenktem Kopf, »ich habe nur gesagt, ich würde.«
»Verstehe«, sagte Rubin, und eine lange Weile herrschte Schweigen zwischen ihnen, bis Mejuchas plötzlich sagte: »Sag mal, Arie, denkst du manchmal an den Arzt?«
»Welchen Arzt?«, gab Rubin erschrocken zurück, und einen Moment darauf sagte er: »Ach so, der Arzt, dieser Ägypter, nein, wieso, warum fällt er dir jetzt ein?«
»Weil ich sehr oft an ihn denke, all die Jahre, ich kann ihn nicht vergessen«, erwiderte Mejuchas mit rissiger Stimme, »ich denke … ich denke immer darüber nach, wer ihn in den Rücken geschossen hat, als er anfing zu gehen.«
»Benni«, sagte Rubin beunruhigt, »wieso … die ganzen Jahre haben wir nicht einmal … kein Wort davon, wir haben nie darüber geredet … und auf einmal – wieso ist dir das
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