Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel
und danach können Sie nach Hause.«
»Heute schon?« Dani Benisri hörte die erschrockene Überraschung in ihrer Stimme.
»Ich dachte, Sie freuen sich«, wunderte sich der Arzt und steckte das Stethoskop in die geräumige Tasche seines grünen Kittels, der sein rötliches Haar und seine blassen, sommersprossigen Wangen hervorstechen ließ. »Der Professor sagte … bei der Visite, ich dachte, dass … wir hören nichts in den Atemwegen … kein Grund zu … weshalb sollten Sie dableiben? Wir empfehlen ein paar Tage Ruhe zu Hause.« Er schlug mit einem leichten Knall die Akte zu. »Warum«, sagte er in kokettierendem Ton, »wollten Sie noch ein bisschen bei uns bleiben?«
»Nein«, antwortete die Ministerin, »ich dachte nur … ich habe den Fahrer weggeschickt, ihm einen Tag Urlaub gegeben bis morgen, meine Parlamentssekretärin ist nicht … und mein Mann … macht nichts, ich komme schon zurecht.«
In diesem Moment betrat Benisri das Zimmer, mit großem, sicherem Schritt, und sagte mit gestellter Freude: »Vielleicht kann ich behilflich sein …«
»Das hatte ich völlig vergessen«, fiel dem Arzt ein, »ich habe Ihnen einen Gast mitgebracht.« Und damit eilte er seines Weges .
»Sie«, umwölkte sich das Gesicht von Timna Ben-Zvi. »Wie kommt das Fernsehen hier herein?«, verlangte sie zu wissen, doch der Arzt war bereits draußen und hörte ihren Protest nicht.
»Er weiß Bescheid«, erwiderte Dani Benisri, »er dachte, Sie freuen sich …«
Mit einem Mal, als erinnerte sie sich, um wen es sich handelte, was er für sie getan hatte, wurde ihr Gesicht weicher. »Eigentlich hatte ich noch keine Gelegenheit … ich habe mich gar nicht ordentlich bei Ihnen bedankt.« Sie wandte verlegen die Augen ab. Ihr Gesicht war nackt und klein, die Brille mit den dicken Gläsern ruhte auf einem schwarzen Ledernotizbuch, das mit den aufgeschlagenen Seiten nach unten auf dem Bett lag, neben einer großen, rechteckigen Bonbonniere, zwei Aktenmappen und Zeitungsausschnitten. »Bedienen Sie sich doch«, sagte sie und neigte sich über die Pralinenschachtel.
»Deshalb bin ich nicht gekommen«, murmelte Dani Benisri und sah zu dem Stuhl hin, der in der Ecke des Zimmers nahe dem Fenster stand. »Darf ich?«, fragte er. Er war nicht dort angelangt, wo er heute war, weil er sich durch übermäßiges Zartgefühl oder Zaudern ausgezeichnet hätte. Ohne die Antwort abzuwarten, zog er daher den Stuhl heran und stellte ihn nahe ans Bett, ignorierte das Erschrecken, mit dem sie ihre Beine zusammenpresste, als wollte sie Abstand von ihm gewinnen. Etwas in ihrem bangen Blick, den sie verstohlen auf ihn warf, an den vorgewölbten Lippen, die ihr einen schmollenden Ausdruck verliehen, löste bei ihm den Drang aus, sie zu berühren. Er hätte nach ihrer Hand fassen können, wie eine Geste der Bekanntschaft, vertraulich eine Hand auf ihr Knie, ihre Schulter oder ihren Arm legen können, doch stattdessen gehorchte er seiner Intuition und legte die Hand auf den Bettrand. »Aber ich stehe hier zu Ihrer Verfügung«, biederte er sich an, »wie ich verstanden habe, fehlt Ihnen ein Chauffeur, also stehe ich Ihnen zur Verfügung.«
»Nein, nicht nötig«, schrak sie zurück, »man wird mir ein Taxi rufen.«
»Eine Ministerin der Regierung fährt nicht mit dem Taxi«, sagte Benisri mit Nachdruck, ohne ihr Gesicht aus den Augen zu lassen, »reicht es nicht, was bereits passiert ist?«
»Ich kann nicht mit Ihnen fahren«, wehrte sie ab, und er betrachtete ihre Hand, die am Laken nestelte. Nichts von der Stärke, die man ihr zuschrieb – er selbst hatte an sie immer im Kontext gebündelter Machtdynamik gedacht, gerade weil sie eine Frau war, pflegte er zu argumentieren, verspürte sie das Bedürfnis, sich zu beweisen –, nichts davon war hier und jetzt zu bemerken. Es war ein seltsamer Gedanke, dass diese Frau in dem blauen Flanellbademantel mit der weißen Stickblume am Kragen, dessen Ränder sie jetzt enger um ihren Hals zusammenzog, während sie sich mit der zweiten Hand durch die wirren Locken kämmte, dieselbe Frau war, die den Groll der Arbeiter der »Cholit«-Fabrik erregt hatte – sogar am Migrasch Harussim heute Vormittag hatte einer von Schimschis Gefährten ausgespuckt, als ihr Name gefallen war. Auch bei ihm hatte sie öfter echten Zorn ausgelöst wegen ihrer gleichgültigen Attitüde, ihrer scheinbar selbstzufriedenen Überheblichkeit. Fast hätte er zu ihr gesagt: »Persönlich wirken Sie völlig anders«, doch stattdessen fragte
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