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October Daye - McGuire, S: October Daye

October Daye - McGuire, S: October Daye

Titel: October Daye - McGuire, S: October Daye Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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und widerstand dem Impuls, die Hände noch einmal an meiner Jeans abzuwischen. Ich würde sie weder sauber noch den Geschmack von Blut aus dem Mund bekommen. »Das Blut ist völlig leer.«
    »Aber warum sind die Nachtschatten nicht gekommen?«
    »Ich weiß es nicht.« Die naheliegende nächste Frage würde lauten: Und wozu sind Sie dann überhaupt gut? Und darauf hatte ich keine Antwort parat.
    Er erhielt jedoch keine Gelegenheit, sie zu stellen. Jan kam mit an die Brust gedrücktem Klemmbrett in den Raum gestürmt. Einige Schritte hinter ihr folgte eine zierliche, weißhaarige Frau.
    »Elliot!«, rief Jan mit schriller, zorniger Stimme. »Elliot, was ist passiert?«
    Mit verkniffener Miene wandte er sich ihr zu. »Sie haben Colin erwischt, Jannie«, sagte er. »Es tut mir so leid. Sie haben ihn erwischt.«
    Abrupt blieb sie stehen und hob unwillkürlich eine Hand zum Mund. Entweder gehörte sie zu den besten Schauspielerinnen, die ich je gesehen hatte, oder sie hatte es tatsächlich nicht getan. »Colin?«, stieß sie hervor. Ihr Zorn verrauchte und wich unvermittelt tiefer Verzweiflung. »O nein. Das kann nicht sein, Elliot, es ist unmöglich. Ich weigere mich, es zu glauben. Sieh noch mal nach. Du musst dich irren.«
    »Es tut mir leid, Jannie«, wiederholte er und breitete die Arme aus. Zitternd warf sie sich in seine Umarmung, und die beiden umklammerten einander. Meine Anwesenheit war vergessen; im Bannkreis ihrer Trauer hatte ich keinen Platz. Sogar Alex und Peter wandten den Blick ab.
    Die weißhaarige Frau ging um die beiden herum, blieb vor dem Leichnam stehen, betrachtete ihn einen Augenblick und sagte schließlich: »Er ist tot.«
    »Ja«, sagte ich tonlos. Sylvester hatte gesagt, er mache sich Sorgen, weil sich seine Nichte nicht mehr meldete. Er hatte nichts davon erwähnt, dass hier Leute ermordet wurden.
    »Wie?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete ich und musterte sie. Die meisten Leute sind ziemlich durch den Wind, wenn ihre Freunde sterben. Diese Frau wirkte interessiert und nicht sonderlich verwundert. Das war ungewöhnlich. Sie maß nur etwa eins fünfzig, und ihr fransiger Haarschnitt trug nichts dazu bei, ihre spitzen Ohren zu verstecken. Ihre Figur passte zu ihrer Größ e – zierlich, geschmeidig und leicht zu übersehen. Ihrem Gewittergesicht nach zu urteilen kam Letzteres ziemlich oft vor; das war kein Gesichtsausdruck, den man spontan entwickelte, selbst wenn Freunde starben. Linien zogen sich durch ihr Antlitz wie Sprünge durch Granit. Dabei handelte es sich nicht um Altersfalten, dafür war sie nicht betagt genug. Es waren eindeutig Missmutsfurchen, unauslöschlich in ihre Züge geprägt.
    »Verdammt«, murmelte sie und fuhr sich mit den Händen durchs Haar. »Ich mochte ihn.«
    Ich schaute zu Jan und Elliot und runzelte die Stirn, als ich sie hilflos an seiner Schulter schluchzen sah. Hysterische Überforderung passte schlecht zu einer Regentin. Kopfschüttelnd wandte ich mich wieder der Weißhaarigen zu und fragte: »Wer sind Sie?«
    »Was?« Sie blickte zu mir auf, und ihr mürrischer Ausdruck verstärkte sich, bis die Linien in ihrem Gesicht zu regelrechten Schluchten wurden. »Ich bin Gordan. Und wer zur Hölle sind Sie?«
    »October Daye.« Normalerweise brüste ich mich nicht mit meinen Titeln, aber diesmal fügte ich hinzu: »Ritterin von Schattenhügel. Ich bin im Auftrag von Sylvester Torquill hier, Herzo g … «
    »Herzog von Schattenhügel, ja, wir kennen die Leier«, fiel sie mir ins Wort. »Wissen Sie, wir sind hier in der Provinz nicht völlig unzivilisiert. Haben Sie eine Legitimation dabei?«
    »Was?«
    »Können Sie sich ausweisen?«
    »Ich bin meine Legitimation bereits mit Ihrer Gräfin durchgegangen. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass Sie hier eine Leiche habe n – und zwar eine ungeheuerliche Leich e – , muss ich mich wirklich noch ausweisen? Ich bin eine Daoine Sidhe, ich bin zugelassene Privatdetektivin, und ich glaube kaum, dass Sie bessere Angebote erhalten werden.«
    »Also sind Sie hier, um all unsere Probleme zu lösen? Also, das ist einfach toll, Prinzessin. Wieso hat das so lange gedauert?«
    »Wie meinen Sie das?«
    Sie deutete auf die Leiche. »Das da hat letzten Monat angefange n – Colin ist der dritte Tote, den wir hier haben. Was hat Sie so lange aufgehalten? Haben Sie auf eine gravierte Einladung gewartet? ›Um Zusage zur Mordermittlung wird gebeten‹?«
    Ich starrte sie einen Moment lang an, bis mein Mundwerk mir wieder gehorchte. »Der

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