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October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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wieder in meine Schuld zu bringen, musst du wissen. Du hast die Kinder meines Hofes gerettet. Ich bin einfach froh, wenn ich mich ein bisschen nützlich machen kann.«
    »Ich … « Ich hielt inne. Was konnte ich sagen? Tybalt war doch mein Gegner, verdammt. Wir stänkerten und stritten uns und versuchten einander zu übervorteilen. Wir taten uns keine Gefallen. Er konnte mir doch nicht einfach so seine Hilfe anbieten, ohne dass irgendwo ein Haken an der Sache oder ein Vorteil für ihn drin war. Nein, das war absolut undenkbar! Und auf gar keinen Fall durfte er lächeln, wenn er mir selbstlos Unterstützung anbot. Denn wenn wir beide plötzlich keine Gegner mehr waren, hatte ich keine Ahnung, was wir sonst sein sollten. Zweifelnd fragte ich: »Du bringst mich also hin?«
    »Wenn ich kann. Du brauchst mich. Und du hast keinerlei Zeit zu verschwenden.«
    Das ließ sich nicht leugnen. »Schön«, sagte ich. »Du kannst mir helfen.« Ich versuchte es klingen zu lassen, als täte ich ihm damit einen Gefallen. Das gab mir einfach ein besseres Gefühl, auch wenn wir beide wussten, dass es Blödsinn war.
    »Gut.« Er richtete sich auf und marschierte los, was mich zwang, ihm zu folgen oder allein stehen zu bleiben. Mein Schädel brummte höllisch, aber ich stellte fest, dass ich geradeaus gehen konnte, wenn ich ihn als festen Punkt vor mir fixierte. Ein gutes Zeichen. Das Gehen selbst machte mir keine Schwierigkeiten, das war ein weiteres gutes Zeichen. Wenn wir weiterhin gute Zeichen sammelten, kam ich vielleicht sogar lebendig in Schattenhügel an.
    Wir waren beinahe zwei Kilometer gewandert, als Tybalt unvermittelt stehen blieb, schnupperte und sich spannte. Ich warf einen Blick auf meine Kerze und war beruhigt, als ich sah, dass sie immer noch leuchtend blau brannte. »Tybalt, was – «
    »Scht!«, zischte er. »Irgendwas kommt.«
    »Wo?« Ich spähte die Straße entlang. Da war niemand, aber das musste nicht unbedingt etwas heißen: Wenn Tybalt sagte, dass etwas kam, war es ernst.
    »Tybalt – «
    »Ich glaube, es wäre ratsam, jetzt die Flucht zu ergreifen«, raunte er und packte meine freie Hand.
    »Was?«
    »Lauf!« Er rannte los und zerrte mich mit. Ich schlingerte unsicher, aber ich zwang mich, das Brechreiz weckende Geschaukel der Umgebung zu ignorieren und weiterzulaufen. Schließlich machte ich einfach die Augen zu und rannte blind, ließ mich von ihm durch die Dunkelheit lotsen.
    Sowie meine Augen geschlossen waren, konnte ich sie rings um uns hören. Die ganze Atmosphäre wimmelte von gierigen, keuchenden Seufzern und dem schrillen Kreischen der monströsen Kinder aus Blind Michaels Halle. Die Reiter hatten versagt, also probierte der Mistkerl etwas Neues. Er hatte die einzigen Hunde von der Leine gelassen, die er noch besaß – die Kinder, die niemand gerettet hatte.
    Wir rannten, bis meine Beine unter mir nachgaben und ich strauchelte, wobei ich fast meine Hand aus Tybalts riss. Er hielt gerade lange genug inne, um mich zu packen und auf seine Arme zu hieven, dann rannte er wieder los, weit schneller als zuvor. Ich klammerte mich an ihn und rang nach Luft. Die Geräusche unserer Verfolger wurden allmählich schwächer, wir liefen ihnen wohl davon, zumindest vorläufig.
    »Halt deine Augen fest geschlossen und mach sie ja nicht auf, ganz egal, was passiert«, hörte ich seine Stimme dicht an meinem Ohr, er klang überraschend wenig außer Atem. »Diesmal müssen wir viel weiter, und es kann sein, dass es wehtut. Hast du mich verstanden?« Ich nickte mühsam. Wenn er in Gefahr war, dann durch meine Schuld, also musste ich tun, was er sagte. Vielleicht kriegte er uns dann lebend hier raus.
    »Gut«, sagte er. »Jetzt halt die Luft an.«
    Ich hatte gerade noch Zeit, tief Atem zu holen, bevor die Welt zu Eis wurde. Fest presste ich meine Augen zu und zwang mich, von hundert rückwärtszuzählen. Tybalt rannte und rannte, und die Luft wurde kälter und kälter, bis sie Temperaturen erreichte, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Wie kalt konnten die Schatten werden? Eiszapfen knirschten in meinen Haaren, und meine Lungen schmerzten immer mehr. Ich wusste nicht, wie lange ich das noch aushalten konnte.
    Meine Hand krampfte sich um Tybalts Arm, und er klang angestrengt, als er raunte: »Halt durch. Wir sind fast da – «
    Die Luft wurde so plötzlich warm, als hätte jemand einen Schalter umgelegt, und Tybalt stolperte leicht, als er den Übergang von den Schatten zu festem Boden vollzog. Ich machte die

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