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October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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verblasste, als sie schneller wurde. Die Luidaeg ließ ihren Arm sinken. »Wir können niemanden retten, der nicht gerettet werden will. Das funktioniert so nicht.«
    Luna starrte sie eine Weile stumm an, dann wirbelte sie mit einem kleinen, halb erstickten Aufschrei herum und schloss mich fest in ihre Arme. Verwundert merkte ich, dass sie weinte. »Ich dachte, ich hätte dich ihm für immer überlassen«, flüsterte sie. »Nach allem, was er schon geraubt hat … ich dachte, er hätte sich auch deiner bemächtigt.«
    Ich schauderte, lehnte mich an sie und schloss die Augen. Nach allem, was geschehen war, konnte ich noch nicht genau sagen, ob er das nicht doch hatte.

Kapitel 29
    G anz allmählich wich das Unheimliche aus der Nacht, sickerte Tröpfchen für Tröpfchen davon, bis die Welt außerhalb des leuchtenden Kreises der Luidaeg wieder aussah wie die Welt, die ich kannte. Ein scharfer Wind kam auf und trug die Allerheiligengerüche mit sich fort, diesen Duft von trockenem Laub, brennendem Kürbis und bevorstehendem Regen. Die Luidaeg stand noch immer am Rand des Lichtkegels und bewegte leicht ihre Finger, kleine, scheinbar zufällige Gesten, die vermutlich alles waren, was uns verborgen hielt. In dem ganzen Chaos beim Abbruch von Blind Michaels Ritt hatte sicher niemand daran gedacht, seine Tarnung zu wahren.
    Die geretteten Kinder stolperten in dem Lichtkreis umher, desorientiert und verwirrt von all den Geschehnissen. Es waren nur diejenigen herausgefischt worden, die jemanden hatten, der sie zurückfordern konnte – »Familie, Freunde und blutgebundene Kameraden«, wie die Luidaeg gesagt hatte. Nun ist Zeit in Faerie etwas Seltsames. In der Menge steckten auch manche Kinder aus dem düsteren Kindersaal, klammerten sich an ihre betagten Eltern oder ihre plötzlich erwachsen gewordenen Geschwister und weinten oder lachten oder beides zugleich. Der Zentaur, der mich so gern verhöhnt hatte, war da, seine Schuppen und seine Fremdartigkeit weggespült von den Verwandlungen, die er durchlaufen hatte. Seine Arme waren fest um eine große Zentaurin mit rosa Fell geschlungen. Beide weinten bitterlich und sahen nicht aus, als hätten sie vor, sich je wieder loszulassen. Seine Piskiefreundin jedoch war nirgends zu sehen. Das tat mir leid. Sie war zu mir so grässlich wie nur irgend möglich gewesen, aber das war nicht ihre Schuld. Ein bisschen Grausamkeit hieß noch lange nicht, dass sie es verdient hatte, nie mehr heimzukommen.
    Von allen Pferden, die an Blind Michaels Ritt teilgenommen hatten, war nur Katie in den Kreis gezogen worden. Nachdem der Zyklus der Verwandlungen vollendet war, hatte sie ihre menschliche Gestalt wieder angenommen, doch das hatte offenbar nichts zur Heilung ihres Gemüts beigetragen. Sie lag zusammengerollt am Boden und schluchzte haltlos. Als ich hinsah, versuchte Quentin sanft ihren Arm zu streicheln, dazu murmelte er etwas, das ich nicht hören konnte. Sie schrie so gellend und durchdringend auf, dass ohne den Schutzbann der Luidaeg mit Sicherheit jeder Parkwächter der Gegend binnen Minuten bei uns gewesen wäre. Luna zuckte zusammen, löste sich von mir und eilte hinüber, um Quentin von der Seite seiner verängstigten Freundin wegzulotsen.
    Katie hörte auf zu schreien und rollte sich zitternd wieder zusammen. Armes Kind. Sie war wieder zu Hause, doch sie war noch immer verloren. Vielleicht waren wir das alle. Ich konnte nach wie vor Blind Michael im Hintergrund meines Bewusstseins spüren, eine leise, flimmernde Präsenz, die wieder einzudringen versuchte. Ich schauderte.
    »Wann hört es auf, Luidaeg?«, fragte ich gedämpft.
    Sie warf mir über die Schulter einen Blick zu. »Das liegt ganz bei dir, Toby. Nun geh deine Freunde beruhigen. Sie waren ein wenig in Sorge.«
    »Ich – «
    »Wir reden später. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest«, sie lächelte freudlos. »Ich muss diesen Kreis noch ein wenig aufrechterhalten, und das erfordert eine gewisse Konzentration.«
    »Alles klar.« Ich trat beiseite und ließ sie in Ruhe.
    Connor und Cassandra hatten es übernommen, die Menge zu dirigieren und Kinder und Eltern im Innern des Lichtkegels zu halten. Wann immer Leute zu gehen versuchten, war einer von ihnen zur Stelle und geleitete sie sanft zu den anderen zurück. Ich konnte es den Eltern nicht verdenken, dass sie darauf brannten, ihre Kinder nach Hause zu schaffen – manche waren vermutlich seit Jahrhunderten verschollen gewesen – , doch ein bisschen mehr Geduld würde

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