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October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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ist, sollte sterben müssen. In einem offensichtlich geplanten Manöver stolperte sie, ließ sich fallen und warf die Cait Sidhe »versehentlich« in weitem Bogen von sich. Die Katze drehte sich in der Luft und landete wenige Armlängen vor meinem Versteck auf ihren Pfoten.
    Das war meine Chance. Ich betete darum, nicht gesehen zu werden, hechtete vorwärts, schnappte mir die Katze und zerrte sie hastig in die Dornendeckung. Sie krümmte sich blitzschnell und schlug mir die Zähne in den Arm. Ich lebe schon lange mit Katzen zusammen. Ich schrie nicht auf und ließ nicht los, sondern verlagerte meinen Griff zu ihrem Nackenfell, schüttelte sie einmal kräftig und raunte: »Tybalt schickt mich.« Sie stellte die Gegenwehr ein. Ich baute auf ihre Friedfertigkeit, presste sie an meine Brust und wandte mich wieder der Szene draußen zu.
    Die Jäger hatten mich nicht entdeckt. Das konnte sich schnell ändern, wenn sie erst merkten, dass die Cait Sidhe fehlte, doch im Moment waren sie ganz auf das Mädchen konzentriert. Mit gezogenen Waffen bildeten sie einen Kreis um sie. Sie versuchte nicht mal aufzustehen, als der nächste Jäger sie mit seiner Lanze anstieß und etwas zu ihr sagte, was ich nicht verstand. Die Katze schon, denn sie legte die Ohren an und fauchte leise. Zwei andere Reiter stiegen ab, zerrten sie hoch und warfen sie über den Rücken des nächsten Pferdes. Ein Reiter stieg hinter ihr auf und wendete das Pferd in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Die ganze Zeit gab sie keinen Laut von sich.
    Die anderen Reiter blieben zurück und schwärmten zu einer unmissverständlichen Suchformation aus. Ich hielt den Atem an, aber keiner von ihnen näherte sich unserem Versteck. Sie zogen ihren Kreis weiter und weiter und suchten hinter Felsen und im spärlichen Gestrüpp. Ich presste die Katze an mich und versuchte einen Ausweg zu finden. Der Waldrand war nur hundert Meter entfernt. Wenn die Reiter sich weit genug wegbewegten, hatten wir eine kleine Fluchtchance.
    Am Ende brauchten wir sie nicht. Die Hörner begannen zu tönen, und die verbliebenen Reiter wendeten wie ein Mann und galoppierten außer Sicht. Das Donnern der Hufe erstarb vor den Hornstößen, aber dann verklangen auch die. Ich zog meine Kerze hervor und war erleichtert zu sehen, dass die Flamme wieder in einem beständigen Blau brannte. Ich entspannte mich, denn das hieß wohl, wir waren so sicher, wie man in unserer Lage sein konnte. Die Katze machte sich los und huschte zum Rand des Dornengestrüpps, wo sie stehen blieb und mich misstrauisch ansah. Ich versuchte nicht, sie aufzuhalten. Wenn sie weglaufen wollte, konnte sie wohl auf sich selbst aufpassen. »Nur zu«, sagte ich. Sie legte die Ohren an und fauchte. Ich seufzte. »Wie du meinst.«
    Ich stützte mich auf Ellbogen und Knie, robbte zurück ins Freie und stand auf. Dann hielt ich die Kerze hoch und begann mit der freien Hand die Dornen aus meinen Knien zu zupfen. Die Katze kam ebenfalls heraus. Ich beobachtete sie aus dem Augenwinkel und zog weiter Stacheln aus meiner Jeans.
    Argwöhnisch beschnupperte sie den Boden, dann streckte sie sich ausgiebig und stellte sich unvermittelt auf die Hinterbeine. Die Luft knisterte leicht, es roch nach Pfeffer und brennendem Papier, und die Katze verschwand zugunsten eines schlaksigen Teenagers, dessen linke Gesichtshälfte von Blutergüssen bedeckt war. Er sah aus wie ein zierlicher Vierzehnjähriger mit glasgrünen Augen, die Haare so rostrot wie vorher sein Fell. Seine Pupillen waren dünne schwarze Schlitze und seine Ohren deutlich mehr Katze als Mensch, mit einem flauschigen Saum aus schwarzem Fell. Ein reinblütiger Cait Sidhe. »Wer bist du?«, fragte er streng.
    »October Daye«, sagte ich und steckte die Dornen, die ich gesammelt hatte, in meine Tasche. Man weiß nie, was man später mal brauchen kann. »Und du?«
    Er kniff die Augen leicht zusammen und betrachtete mich abschätzig. Ich kannte diesen Blick. So sah mich Tybalt immer an. »Mein Name ist Raj. Ich bin … «
    »Der Prinz der Katzen«, fiel ich ihm ins Wort. »Ja, ich weiß.«
    Damit hatte er nicht gerechnet. Seine Augen weiteten sich, und der Argwohn kam zurück. »Woher weißt du das?«
    Ich seufzte. Ich hatte nicht das Herz, ihn zu hänseln – nicht nachdem ich zugesehen hatte, wie er seine Kameradin verlor. »Wie ich schon sagte, Tybalt hat mich geschickt. Er ist … « Wie sollte ich meine Beziehung zum König der Katzen beschreiben? Ich entschied mich für eine

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