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October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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Blind Michael bringen, und er würde Verständnis haben. Er würde ohne Widerspruch meine Kinder herausgeben. Er war im Herzen ein guter Mann. Er …
    Die Kerze loderte wild auf und spritzte heißes Wachs auf meinen Unterarm. Der scharfe Schmerz riss mich aus einer Benommenheit, von der ich gar nicht gemerkt hatte, wie sie mich einlullte. Die Mistkerle bliesen verzauberte Hörner. Natürlich würden sie nicht zuhören. Blind Michaels Jagd war noch nie berühmt für Akte der Gnade. Wenn ich stehen blieb, würde ich sterben. Ich würde vielleicht sowieso sterben, aber wenn ich rannte, hatte ich wenigstens noch eine Chance.
    Auch ohne ihre suggestiven Kräfte wurden die Hörner merklich lauter. Ich würde den Wald kaum erreichen, bevor die Jagd mich erwischte. Im Rennen begann ich die Landschaft nach einem möglichen Versteck abzusuchen.
    Vor mir erspähte ich ein Gestrüpp aus Dornensträuchern, das vielversprechend aussah. Ich stürmte darauf zu. Als ich die Länge der Dornen sah, verzog sich mein Gesicht zu einer Schmerzgrimasse. Die sahen nicht nach angenehmen Bettgenossen aus. Ich zauderte, überlegte, ob ich nach einem anderen Versteck Ausschau halten sollte, da erschallten die Hörner wieder, viel näher als zuvor. Also gut. Ich biss die Zähne zusammen, ließ mich auf alle viere nieder und krabbelte vorsichtig in den Schutz der Dornen hinein.
    Als eine Wand aus Dornen mich umschloss und vor der Ebene verbarg, hockte ich mich hin und hielt die Kerze zwischen meine Knie, um ihr Licht abzuschirmen. Zwischen den Hornstößen vernahm ich jetzt deutlich das Donnern von Hufen, sie kamen rasch näher. Ich kroch noch ein Stückchen weiter und schenkte den Dornen keine Beachtung mehr. Das bisschen Blut war ein geringer Preis dafür, am Leben zu bleiben.
    Mit angehaltenem Atem wartete ich auf die Jäger.
    Sie erschienen nicht. Statt ihrer rannte ein Mädchen in mein Blickfeld. Weinend flüchtete sie auf den Wald zu. Ihr Kleid hing in blutigen Fetzen, und ihr lockiges braunes Haar war verfilzt und blutverklebt. Ich öffnete leicht die Lippen, um die Zusammensetzung ihres Erbguts zu erschmecken. Ein Hob-Halbblut, wahrscheinlich nicht älter als vierzehn. Sie war barfuß, aber sie rannte ohne Zögern über den steinigen Boden. Etwas Schlimmeres als der Tod war hinter ihr her, und sie wusste es. Sie drückte eine halb ausgewachsene Abessinierkatze an ihre Brust. Ein feiner Nebel aus Magie ging von der Katze aus, prallte gegen die Schatten um sie herum und ließ sie zerschellen, ohne jedoch Hilfreiches zu bewirken. Cait Sidhe, da war ich so gut wie sicher. Es ist ihre Spezialität, durch die Schatten zu gehen und Portale zu öffnen, um von hier nach dort zu kommen. Aber die Schatten hier gehörten alle Blind Michael, und das arme Kind fand keinen Ansatzpunkt.
    Als die Hörner das nächste Mal erschallten, schloss das Mädchen die Augen und holte mit letzter Anstrengung alles an angsterfüllter Schnelligkeit aus sich heraus. Die Katze in ihren Armen hielt ganz still, die Augen auf den Waldrand gerichtet. Cait Sidhe sind meist knallharte Realisten, und die Katze wusste so gut wie ich, dass sie den Wald nicht mehr rechtzeitig erreichen konnten. Ich blieb, wo ich war, und biss mir auf die Lippe. Ich wollte ihnen zurufen, sie sollten sich verstecken, solange sie die Möglichkeit hatten, aber ich konnte es nicht. Die Reiter waren schon zu nah. Ich konnte nichts tun als zusehen, mir alles einprägen und das Gesehene mit nach Hause nehmen, um ihren Eltern Bericht zu erstatten.
    Was immer jetzt geschehen würde, ich war dafür verantwortlich, weil ich sie nicht rettete. Manchmal ist es das Schwerste von allem, nichts zu tun.
    Die Hörner dröhnten ein letztes Mal, und dann strömte Blind Michaels Jagd über den nächsten Hügel. Es war mindestens ein Dutzend Jäger in schlecht zusammengewürfelten Rüstungen auf riesigen Pferden, deren Hufe im Lauf die Erde aufschlitzten. Sie sahen aus, als wären sie aus unterschiedlichen Heeren herausgerupft und zusammengestückelt worden, vielleicht von einem willenlosen General, den nur interessierte, dass seine Soldaten furchterregend wirkten. Ihre Waffen waren so wahllos kombiniert wie ihre Rüstungen, aber das war nicht entscheidend. Entscheidend war, dass jeder von ihnen bestens zum Töten ausgerüstet war.
    Das Mädchen musste sie gehört haben, denn sie tat etwas, was mich so verblüffte, dass ich fast aus meinem Gestrüpp ausbrach, um mich schützend vor sie zu werfen: Niemand, der so tapfer

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