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October Daye: Nachtmahr (German Edition)

October Daye: Nachtmahr (German Edition)

Titel: October Daye: Nachtmahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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gewaschen. Drei silberpelzige Schwänze waren hinter ihr zusammengerollt, und Silberfuchsohren waren flach an ihren Schädel gepresst. Kitsune.
    Sie atmete nicht, und ich gewahrte mit langsam wachsendem Schrecken, dass das Gras um sie herum zu Staub zerfiel. »Karen, deine Freundin … «
    »Ihr Name ist Hoshibara. Dies ist ihr Platz.«
    »Schatz, sie atmet nicht.«
    Der Ausdruck in Karens Gesicht war abgrundtief traurig. »Ich weiß.«
    »Karen … «
    »Tante Birdie, du musst jetzt zuhören«, sagte sie. Irgendwie erfüllte ihre Stimme die Welt, und ich hielt inne und betrachtete sie. Sie schüttelte den Kopf. Etwas Altes und Müdes lauerte in dem ausgeblichenen Blau ihrer Augen. »Ich bin nicht wirklich wach. Ich kann nicht aufwachen, solange er mich hat. Etwas ist falsch, Tante Birdie, etwas ist ganz falsch. Du musst sie finden, bevor es zu spät ist.«
    »Wen finden?«
    »Die Tochter der Rose, die Frau, die aus Blumen ist und lieber ein Fuchs sein will. Die Blodynbryd-Königin.«
    »Karen, ich verstehe das nicht. Ich muss dich nach Hause bringen. Deine Eltern machen sich Sorgen.«
    Sie neigte den Kopf zur Seite. »Nach Hause? Du kommst hin und zurück mit der Kerze Licht, heißt es. Wo ist deine?«
    Meine Kerze? Ich merkte, dass meine Hände leer waren. Wo war sie? Wir konnten nicht nach Hause ohne die Kerze. Ich drehte mich und suchte nach der vertrauten Flamme, und entdeckte sie am Horizont, weit weg und sich weiter entfernend. Ich rief: »Warte hier! Ich bin gleich zurück!«, und rannte ihr nach. Die Jahre fielen von mir ab, während ich rannte, bis ich wieder ein kleines Kind war, verloren wie die anderen, und ich rannte …
    … und rannte …
    … rannte …
    Die Nacht war vollends hereingebrochen, während ich schlief, und Schatten füllten mein Versteck. Ich erwachte ruckartig vom Geräusch fremder Schritte und hielt den Atem an. Meine Verwirrung verglühte beim Anblick meiner Kerze: Sie brannte in züngelndem Rot, die Flamme leckte hoch bis fast zu den Dornen. Ich hatte schon Angst, sie würde den Busch in Brand setzen. Doch das war wirklich die letzte meiner Sorgen, denn wenn Blind Michaels Reiter mich fingen, würde ein kleines Feuer nichts mehr ausmachen.
    Sie würden mich gewiss finden. Sie mussten. Wenn sonst nichts, so würde sie das Licht zu mir führen. Dann war das Spiel zu Ende, und Blind Michael setzte mich matt. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis einer von ihnen mich sah und die anderen rief.
    Doch es geschah nicht. Die Schritte verklangen und ließen mich allein mit dem wahnsinnigen Hämmern meines Herzens. Die Flamme schrumpfte auf ihre normale Größe und beruhigte sich weit schneller als meine Nerven. »Was für Taten hast du von mir erwartet, Luidaeg?«, murmelte ich. »Schnell bei ihm vorbeischauen und alle einsammeln?« Ich konnte Blind Michael immer noch sehen, wenn ich die Augen schloss, groß und gewaltig gegen den Himmel. Er war bereit, mein Gott zu sein. Alles, was ich tun musste, war die Kerze loslassen und ihm Einlass gewähren.
    Niemals. Auf keinen Fall.
    Er war blind, sah aber alles in seinen Landen – alles außer mir. Er hätte sich nicht auf mein kleines Spiel eingelassen, wäre er nicht dazu gezwungen, denn Siegen war schöner, als fair zu spielen. Er konnte mich nicht sehen, er konnte mich nicht festhalten, also war ich beinahe sicher vor ihm. Aber warum war ich so besonders? Wie konnte eine Kerze so viel bedeuten? Ich besann mich und ging alles noch mal durch. Die Luidaeg gab mir die Kerze und schickte mich in seine Lande. Sie sagte, ich käme hin und zurück mit der Kerze Licht.
    Natürlich: Wir waren in einem Kinderland und spielten nach Kinderregeln. Blind Michael würde mich fangen, wenn er konnte, weil das der Sinn des Spiels war, aber er konnte mich nicht festhalten oder sehen, solange ich meine Kerze am Brennen hielt. Denn sonst wäre das Spiel ja nicht fair.
    »Einfach toll«, sagte ich laut. Ich war im Reich eines wahnsinnigen Erstgeborenen gefangen, der sich an die Regeln aus Kindermärchen hielt, und meine einzige Hoffnung auf Entkommen hing an einer Kerzenflamme. Ich war nicht imstande gewesen, Raj vor den Reitern zu verbergen, und ich konnte auch nicht darauf bauen, dass ich die anderen Kinder zu verbergen vermochte. Die Luidaeg und ich würden uns mal ernsthaft unterhalten müssen, wenn ich nach Hause kam.
    Und dann war da noch der Traum. Ich hatte immer schon sehr lebhaft geträumt, aber dies war anders. Es fühlte sich geradezu wirklich an, und

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