October Daye: Nachtmahr (German Edition)
Gemahls an Macht zu Gebote stand, arbeitete für uns, Maeve sei Dank. Als die Baumlinie näher rückte, drängten Quentin, Raj und ich die anderen zur Eile und trieben sie schließlich in Sicherheit. Ich begann erst wieder gleichmäßig zu atmen, als der Letzte den Schutz der Bäume erreicht hatte. Der härteste Teil lag noch vor uns, aber wir hatten die erste Hürde genommen.
Helen – die Hob, die mit Raj geflüchtet war – gehörte zu denen, die am schlimmsten dran waren. Seit die Reiter sie wieder ergriffen hatten, war ihr Bein verstaucht. Ich hatte sie beim Hinken beobachtet und fürchtete ernstlich, ihr Knöchel könnte gebrochen sein. Trotz der fraglos damit verbundenen Schmerzen zeigte sie echte Begabung dafür, die kleineren Kinder zu beruhigen. Sobald wir zwischen den Bäumen waren, ließ sie sich mit einem halben Dutzend von ihnen nieder und summte Schlaflieder, um sie zum Einschlafen zu bringen. Ich hoffte inständig, dass ihr das gelang, denn sie brauchten dringend Erholung. Wir hatten noch einen langen Weg vor uns.
Quentin und Raj stießen aus verschiedenen Richtungen zu mir, als ich am Waldrand stand. Raj ging schon wesentlich leichteren Schrittes, seit wir dem Gefangenensaal entronnen waren. Sein ganzes Gebaren zeigte allmählich wieder Elemente der natürlichen Großspurigkeit, die den Cait Sidhe eigen ist. Gut so. Ich kannte ihn nicht näher, aber kein Kind verdient es, gebrochen zu werden, schon gar nicht von einem Monster wie Blind Michael.
»Wie geht es allen?«, fragte ich und sah Quentin an.
»Sie sind ziemlich mitgenommen, aber im Großen und Ganzen gefasst«, berichtete Quentin. »Die meisten denken wohl, sie sind schon gerettet, und dies ist nur eine kleine Atempause, bevor es heimwärts geht.«
»Lasst sie erst mal in dem Glauben. Ich habe sie lieber optimistisch als hysterisch.« Ich wandte mich an Raj. »Helen ist ziemlich übel dran. In meiner oder Quentins Gruppe gibt es keine Heiler – wie ist das mit deiner?«
»Nein, auch nicht, und ich weiß nicht, wie weit sie noch gehen kann«, sagte Raj mit besorgter Miene. »Wie weit sind wir vom Ausgang entfernt? Es könnte sein, dass wir sie tragen müssen.«
»Verdammt. Ist sie stark genug, um ein paar einfache Nähzauber zu wirken?« Hobs sind Herdgeister, ihre Magie richtete sich fast vollständig auf Reinigungs- und Flickarbeiten. Sie können mit einer Handbewegung Socken waschen und stopfen, mit Stichen, die zu klein für das menschliche Auge sind.
»Ich denke schon.«
»Gut. Sammelt alle Kleider ein, die die Kinder übrig haben – Socken, Jacken, was immer sie entbehren können – , und seht zu, ob sie daraus eine Art Schlepptrage nähen kann. Wir ziehen sie, wenn wir müssen.«
»Könnten wir nicht einfach ein paar Äste abhauen?«, fragte Quentin.
Ich sah ihm in die Augen. »Möchtest du das dann Acacia erklären?«
Er wurde blass. »Okay, besser nicht.«
»Gut.« Ich wandte mich wieder an Raj. »Kannst du alle ruhig und bei Laune halten, bis wir zurück sind?«
Seine Augen weiteten sich, die Pupillen schrumpften vor Überraschung. »Zurück seid? Wo geht ihr ihn?«
»Wir holen meine Freundin«, sagte Quentin. Seine Stimme klang scharf, aber ruhig.
»Deine Freundin?« Raj blickte unwillkürlich zu Helen. »Warum war sie denn nicht bei den anderen?«
»Weil sie ein Mensch ist«, sagte ich. Raj wandte sich um, starrte mich betroffen an und legte die Ohren an. »Blind Michael holt sich Fae-Kinder, um sie zu seinen Reitern zu machen. Die Sterblichen nimmt er als Pferde.«
»Das wird Katie nicht passieren«, sagte Quentin.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, wird es nicht. Aber das bedeutet, dass wir für eine Weile wegmüssen. Raj, kannst du die Dinge hier im Auge behalten?« Auch wenn ich diesen Jungen kaum kannte, war schon klar, dass er und Quentin am ehesten so etwas wie meine Stellvertreter waren. Ich konnte die Kinder nicht allein lassen, wenn Raj nicht bereit war, auf sie aufzupassen, aber ich konnte auch Quentin nicht allein losziehen lassen, um Katie zu holen.
Sehr zu meiner Erleichterung nickte Raj. »Ich glaube schon. Fast alle sind müde. Sie dürften für eine Weile schlafen.«
»Gut, lass sie nur nicht aus dem Wald. Erinnerst du dich an die Herrin dieser Wälder?«
»Die gelbe Frau?«, fragte er.
»Ja, genau die. Ihr Name ist Acacia. Sollte etwas dazwischenkommen, dann gehst du zu ihr. Sag ihr, dass ich es nicht zurückgeschafft habe, aber dass Luna euch erwartet. Sie wird euch helfen.« Hoffe ich,
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