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October Daye: Winterfluch (German Edition)

October Daye: Winterfluch (German Edition)

Titel: October Daye: Winterfluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seanan McGuire
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ramponierten Vorratsschuppens endete, der im Schatten zweier gewaltiger Eichen stand. Evening hatte mir einmal erzählt, dass sie diese Bäume selbst gepflanzt hatte, hundert Jahre, bevor ich geboren wurde. Sie hatte diesen Weg über eine lange, lange Zeit hinweg benutzt.
    Das Flüstern verstummte, als ich auf den Schuppen zuging. Seine Aufgabe war erfüllt. Es gab mehr zugängliche Pforten, aber dies war der Weg, den man einschlug, wenn man von niemandem beobachtet werden wollte. Dies war der verborgene Pfad. Ich legte die Hand auf den Türknauf, und meine Finger verkrampften sich, als ein Stoß statischer Elektrizität über meine Haut strich. Das war meine letzte Warnung. Wenn ich jetzt weiterginge, würde ich mich verpflichten.
    Ich öffnete die Tür.
    Sie schwang auf Angeln auf, die trotz des Rosts, der sie verkrustete, gut geschmiert gewesen sein dürften. Für Reinblutbegriffe war Evening als Schaustellerin nie Weltklasse gewesen, aber dies war ihr Land, und es richtete sich nach ihren Regel n … vorläufig wenigstens. Die Zauber, die sie so sorgfältig gewoben hatte, würden verblassen, bis das Portal nach Goldengrün seine Verankerung verlöre und der Schuppen bloß zu einem weiteren vergessenen Lagerort würde. Faerie würde einen weiteren Anker in der Welt der Sterblichen verliere n – aber jetzt noch nicht. Im Augenblick konnte mich der Pfad noch aus der einen Wirklichkeit in eine andere führen. Ich schloss die Augen, ließ den Knauf los und schritt durch die Tür.
    Sie fiel geräuschvoll hinter mir zu und befand sich schlagartig außer Reichweite, da der Raum sich krümmte und verzerrte. Die Luft fühlte sich zugleich heiß und kalt an, was das Atmen etwas schwierig gestaltete. Dies war keine nahtlose, fein gearbeitete Pforte wie der Eingang nach Schattenhügel; dies war ein zwischen die Welten gerissenes Loch, das zugleich in beiden und keiner davon existierte.
    Ein einziger Schritt brachte mich zum Ende des Weges, und die Welt der Menschen fiel wie ein böser Traum von mir ab. Ich öffnete die Augen und atmete die reinere, vorindustrielle Luft tief ein, während ich den Blick mit zusammengekniffenen Augen den trüb erhellten Flur hinabwandern ließ. In Goldengrün herrschte nie völlige Dunkelheit, doch dies hier kam dem näher, als ich es je zuvor erlebt hatte. Evening musste die Lichter ausgeschaltet haben, als sie gegangen war, und da sie nicht zurückgekommen war, hatte niemand sie wieder eingeschaltet. Dies war genau das, was ich jetzt nicht brauchte. Goldengrüns Trugbanne galten als geradezu legendär. In der Düsternis würde es wesentlich schwieriger sein, sie zu meiden, und ein Fehltritt konnte sowohl für meine geistige als auch körperliche Gesundheit schädlich sein. Um Mugel musste man sich immer kümmern, und Goldengrün hatte gerade seine Besitzerin verloren … Ich konnte also nicht damit rechnen, dass der Mugel guter Laune sein würde. Manche Leute meinen, es sei albern, die Hügel zu personifizieren; ich hingegen sage mir, ich personifiziere sie lieber zu sehr, als mich zu irren. Ich stelle mir vor, dass die Wahrscheinlichkeit, von ihnen getötet zu werden, geringer ist, wenn sie sich geschmeichelt fühlen.
    Mit ausgestreckten Händen setzte ich mich den Flur entlang in Bewegung. Nach wenigen Schritten stieß ich mit dem Oberschenkel gegen den Rand eines niedrigen Marmortisches, und etwas zerbarst auf dem Boden. Ich zuckte zusammen. Tja, eine Vase weniger, die ich bei meinem nächsten Besuch zerbrechen könnte. Ich ging weiter, und das Geräusch meiner Schritte breitete sich plötzlich hörbar aus, was von meiner Ankunft im mittleren Hof des Mugels zeugte. Ich gestattete mir ein kleines Lächeln. Wahrscheinlich würde es von hier aus eine Möglichkeit geben, die Lichter einzuschalten, und sobald ich etwas sehen würde, konnte ich auch mit der Suche nach der Tür beginnen, zu der mein Schlüssel passte.
    Nach drei Schritten in den offenen Bereich erstarrte ich.
    Hinter mir atmete jemand.
    Ich ließ eine Hand zu dem Messer in meinem Gürtel sinken und spähte mit zusammengekniffenen Augen in die Schatten. Wer immer es war, sollte mich besser rasch angreifen, andernfalls würde derjenige herausfinden, was für eine grauenhafte Woche ich gehabt hatte. Auf meine Freunde wurde geschossen, in meinem Wohnzimmerteppich klebten Reste eines Doppelgängers, und mein früherer Boss und Vielleicht-Geliebter war gezwungen gewesen, einen Handel mit der Luidaeg abzuschließen, um mich am Leben zu

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