October Daye: Winterfluch (German Edition)
gezeigt«, erklärte er. »Sie hielt es für eine gute Idee, dass jemand außer ihr den Trick kennt.«
»Wann?«
»Vor ein paar Monaten.«
Das wies auf eines von zwei Dingen hin: Entweder hatte Evening schon damals damit gerechnet, dass sie sterben werd e … oder dies hier war gar nicht Connor. »Da.« Ich hielt ihm das Messer, dass ich mir von Dare geborgt hatte, mit dem Griff voraus hin. »Nimm das.«
Er blinzelte. »Was? Warum?«
»Weil du dich für mich schneiden musst.« Verständnislos glotzte er mich an. Ich seufzte. »Ich wurde erst vor Kurzem von einem Doppelgänger angegriffen, Connor. Ich glaube zwar nicht wirklich, dass derjenige, der mich tot sehen will, unmittelbar nach dem Versagen des ersten einen weiteren schickt, aber als Mädchen kann man nicht vorsichtig genug sein.«
»Du meinst es also ernst.«
»Eigentlich schon, ja.«
Mit finsterer Miene ergriff er das Messer, ritzte sich den Zeigefinger auf und zeigte mir die Wunde. »Siehst du? Ganz gewöhnliches Blut.«
Doppelgänger können eine Menge nachahmen, Blut allerdings nicht. »Ausgezeichnet. Mein Messer, bitte.« Ich streckte ihm die Hand entgegen. Mit nach wie vor finsteren Zügen drückte er mir den Griff in die Finger.
Ich steckte die Klinge zurück an den Gürtel, drehte mich herum und betrachtete den Raum. Mit eingeschalteten Lichtern wirkte er kleiner. In der Mitte stand ein schlichter Silberthron. Willkürlich verteilte Türen führten in ungeahnte Gefilde. Ich hatte noch nicht einmal die Hälfte der Türen in Verwendung gesehen und würde wahrscheinlich alle ausprobieren müssen, ehe der Tag um wäre. An der Wand hing einsam Evenings Wappen. Einst hatte dort ein zweites Wappen geprangt, doch Dawn war seit mittlerweile zwanzig Jahren tot. Ihre Schwester hatte nur eine Weile gebraucht, um zu ihr aufzuschließen.
»Es ist seltsam, dass sie dir gezeigt hat, wie die Lichter angehen«, meinte ich. »Mir hat sie es nie gezeigt.«
»Hättest du ihr vertraut, wenn sie es versucht hätte?«
Das brachte mich zum Nachdenken. Schon vor meiner Zeit im Teich war ich ein argwöhnischer Wechselbalg gewesen. Danach hörte ich überhaupt nur noch auf meine Paranoia. Hätte ich Evening vertraut, wenn sie mir den Vorschlag unterbreitet hätte? Wahrscheinlich nicht. Schmerzte es mich, dass sie mich nicht gefragt hatte? Leider ja.
»Nein«, gestand ich schließlich. »Hätte ich nicht.«
»Vermutlich hat sie es deshalb nicht getan.«
Ich schüttelte den Kopf und hielt den Blick auf die Wand gerichtet. »Ich bin nicht hierhergekommen, um über meine persönlichen Probleme zu reden.«
»Warum bist du dann hier?«
»Weil ich eine Aufgabe zu erledigen habe.«
»Und diese Aufgabe wartet in Goldengrün? Du solltest Sylvester anrufen, bevor er vollends ausflippt.«
»Wie ich schon sagte, ich dachte, jemand hätte ihn bereits angerufen.« Seufzend sah ich Connor wieder an. »Meine Aufgabe erwartet mich dort, wo Evenings Mörder sind. Da ich aber nicht weiß, wo das ist, beginne ich hier.«
»Bist du sicher, dass du dem gewachsen bist?«
»Spielt das eine Rolle?«, gab ich zurück. »Was können sie schon tun? Mich umbringen? Das versuchen sie bereits. Es ist belanglos, ob ich dem gewachsen bin oder nicht. Ich stecke drin und komme erst wieder raus, wenn diese Geschichte endet oder ich sterbe. Nicht eher.«
Connor runzelte die Stirn. »Du blutest.« Er hörte sich überrascht an.
»Ich weiß.« Ich warf einen Blick auf das Blut, das meine Bluse durchtränkte, und seufzte. »Das ist schon die dritte Bluse in dieser einen Woche. Ehrlich, ich sollte am besten einfach oben ohne rumlaufen.«
»Was ist passiert?« Seine Überraschung schlug in verletzte Verärgerung um. Meine Güte. Ich brauchte niemanden, um mich zu beschütze n – und falls doch, gäbe es dafür wahrlich bevorzugtere Anwärter als ihn.
»Meinst du im Verlauf der letzten Woche oder gerade eben?«, fragte ich mit ausdrucksloser Miene.
»Gerade eben. Den Großteil der vergangenen Woche kenne ich bereits.«
»Du erinnerst dich an den von mir erwähnten Angriff durch einen Doppelgänger?« Er nickte. »Das ist passiert. Pass auf, du kannst dabei sein, wenn ich vor Sylvester katzbuckle, weil ihn niemand angerufen hat.«
»Du blutest immer noch.« Er legte mir die Hand auf die Schulter, und mein Herzschlag beschleunigte sich. Ich bewegte mich mit hoffentlich beiläufiger Langsamkeit unter seiner Hand hervor. Das brauchte ich nicht. Schon gar nicht im Augenblick. Wahrscheinlich
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